Schauen Sie genau hin – mehr braucht eigentlich keiner: Stufenheck-Limousine, kein L-Paket, zwei Türen, gedeckte Farbe. Ein Opel Kadett in seiner reinsten Form gewissermaßen: das bürgerliche Auto an sich. Vergessen wir hier die von Endverbrauchern getilgten Caravan-Typen, die üppig motorisierten Rallye-Versionen, die seltsam aufgeblähten zwei- und viertürigen Coupés sowie die gepimpten Olympia-Typen mit ihrem Ami-Glitterflitter drum herum. Hochbeinig, schmal und leicht pummelig um den Hüftschwung unterm Seitenfenster steht er da, der Durchschnitts-Kadett, der immer noch in kleinste Budgets passt.

Ein Hoch auf das Bewährte

Opel Kadell B 1100
Ein Kadett in seiner reinsten Form ist gewissermaßen das bürgerliche Auto an sich.
Dazu gehört die Basis-Motorisierung mit 45, 50 oder allenfalls 55 PS aus 1078 cm³. Der Federungskomfort ist bescheiden, also fährt es sich gemütlicher gleich besser. Schon wechselt das metallische Schnarren der unzerstörbaren Vierzylinder-Nähmaschine von lästig zu behaglich, großväterliche 120 km/h sind völlig genug. So, genau so, fühlt sich ein Opel Kadett B an. Ein Hoch auf das Bewährte, das kleine Glück von damals und heute. Die Bescheidenheit hat dem kleinen Opel nicht geschadet – im Gegenteil. Über 2,7 Millionen Kadett verließen das Werk Bochum zwischen 1965 und 1973. So einen wie ihn könnten sie bei Opel heute gut gebrauchen. Als selbst ernannter Käfer-Konkurrent bedrängte er selbstbewusst Wolfsburgs Bestseller und machte mit seiner frugalen Art selbst in Amerika eine Art von Karriere. Und, ja: Selbst der schöne Opel GT basierte auf dem Kadett B.

Der Kadett B ist zäh, seine Technik nahezu unzerstörbar

Opel Kadett B
Schwarzer Kunststoff am Armaturenbrett und ein kurzer Schalthebel sind Zeichen des modellgepflegten Kadett B.
Der Höhepunkt seines Erfolgs und der Vielfalt war im Herbst 1967 erreicht: 28 Kadett- und neun Olympia-Versionen standen zur Wahl. Zwei Stufenheck, zwei Fastback, zwei Coupés und zwei Caravan ließen sich mit Motoren zwischen 1,1 und 1,9 Liter Hubraum und PS-Zahlen zwischen 45 und 90 kombinieren. Gut möglich, dass von allen Kadett, ja vielleicht von allen Opel, der Kadett B der beste Beweis für die Existenz der Opel-Tugend Zuverlässigkeit ist. Noch in den 90er-Jahren umkreisten Massen von Kadett B die Uni-Parkplätze wie Ameisen eine Picknick-Decke. Große Teile des Blechs hatten sich längst in Luft aufgelöst, aber die Technik sang trotz fehlender Wartung das Lied von der ehrlichen Arbeit. An den Talenten des Kadett B scheiterte selbst der Klassenkampf. Der Kabarettist Matthias Beltz, der sich Anfang der 70er-Jahre wie Kumpel Joschka Fischer ans Opel-Montageband stellte, um die Arbeiter zum Aufstand zu bewegen, stellte schnell fest: "Die wollten keine Revolution, die wollten einen Opel Kadett." Er war die verlässlichere Wahl.

Plus/Minus

Der B-Kadett ist ein echter Klassiker für den Alltag, seine Mechanik gilt als unbedingt haltbar. Viele Technik-Komponenten kamen auch beim Nachfolger Kadett C zum Einsatz, sodass es um die Versorgung mit Ersatzteilen gut bestellt ist. Dank der großen Modellvielfalt findet jeder Kadett-Fan den passenden Typ, allerdings gibt es innerhalb der Baureihe große Preisunterschiede. Wichtig ist der rostfreie Zustand der Karosserie, da sich eine Restaurierung nur bei den seltenen Versionen lohnt.

Ersatzteile

Opel Kadell B 1100
B wie Basis: Unter der Haube des Kadett B wäre noch Platz für einen weiteren Motor. Der Vierzylinder ist sehr haltbar.
Karosserieteile sind rar und teuer geworden, längst sind die Lager der Vertragshändler und Verwerter geräumt. Immerhin erlaubt der umfangreiche Opel-Baukasten den Einbau artverwandter Technik anderer Kadett-Generationen und -Modelle – der beliebte 1.2-S-Motor mit 60 PS kam beispielsweise noch im Corsa zum Einsatz, wenn auch als Einspritzer. Die Opel-Technik ist zum Glück nach wie vor bezahlbar. Engpässe bei Ausstattungs-Features für Sondermodelle (Holiday, Festival, Sport etc.) sind völlig normal – aber inzwischen werden auch massenhaft produzierte Komponenten wie der legendäre 1,9-Liter-cih-Motor knapp.

Marktlage

Die klassische Limousine wird am häufigsten gehandelt, frühe und gute "Kiemen"-Coupés und Caravan sind begehrt, ein echtes Rallye-Coupé – am Ende noch eines, das vor Herbst 1967 gebaut wurde – ist seltener als mancher klassische Ferrari. Dafür liegen die Konditionen für gute Limousinen nach wie vor auf sozialverträglichem Brot-und-Butter-Niveau: Ab etwa 3000 Euro gibt es durch und durch solide, voll alltagstaugliche Exemplare. Spitzenautos liegen etwa 2000 Euro darüber.

Empfehlung

Dieser Opel ist ein guter Kumpel für immer, egal in welcher Konfiguration: mechanisch nahezu unverwüstlich und dadurch sparsam, mit Platz für vier und einem Kofferraum in Überseecontainer-Größe. Mit einer ordentlichen Hohlraumversiegelung versehen, ist solch ein Kadett B bereit, die nächsten zehn Jahre unauffällig, solide und günstig seinen Dienst zu verrichten. Revolutionen gibt es woanders.

Historie

1965: Präsentation des Kadett B im September, nur 100 D-Mark teurer als Kadett A.
1967: Modellpflege, zu erkennen an größeren Heckleuchten. Hinterachse mit Schrauben- statt Blattfedern, Luxus-Version Olympia. Zwei Motoren-Typen stehen zur Wahl: ohv-Vierzylinder mit 1,1 und 1,2 Litern (45–60 PS) sowie cih-Vierzylinder mit 1,7 und 1,9 Litern (75–90 PS).
1973: Produktionsende nach 2.730.113 Exemplaren.

Weitere Klassiker für Knauserer:

BMW 525e

Porsche 924

Mercedes 200 D

Fiat 500 D

$(LB548714:VW Golf I)$

Citroën 2 CV 6

VW 1200 A

Audi 100 LS