"Was ist der Unterschied zwischen einem Zeugen Jehovas und ei nem Skoda? Beim Zeugen Jehovas kann man die Tür zumachen." Selbst tschechische Zeitungen haben Anfang der 90er Jahre für Skoda nur noch Hohn und Spott übrig. Die einst so stolze Marke liegt am Boden. Peinliches Design, beschämende Qualität, marode Fabriken. Zeitsprung. April 2009. Wir sind in Mlada Boleslav, ehemals Jungbunzlau, der Wiege Skodas. Nach dem Einstieg von VW 1991 entstand hier eines der modernsten Werke Europas. Auf dem Seziertisch in einer Lackierhalle liegt der Roomster. Hier hat seine Reise im April 2007 begonnen, hier endet sie auch. Nach 100.000 Kilometern schauen wir dem Tschechen tief in die Eingeweide. Pýcha, Stolz – das ist das Wort, das wir in diesen Tagen in Böhmen am häufigsten hören.

Skoda ist komentenhaft aufgestiegen

Skoda Roomster 1.9 TDI
Die Optik ist gewagt, aber erfolgreich. Seit 2006 wurden allein in Deutschland über 45.000 Roomster verkauft.
VW hat Skodas Arbeitern ihr Selbstbewusstsein wiedergegeben. Sie nicht zu Zweite-Klasse-Schraubern degradiert, sondern sie mitentwickeln lassen. Das merkt man den Kindern dieser Ehe an. Auch dem Roomster, besonders dem Roomster. So topfit, wie sich dieser trendige Typ nach dem Mammutritt kreuz und quer durch Europa präsentiert, so liefen vor zehn Jahren bei Skoda nicht einmal Neuwagen vom Band. Die Hohlräume schier, das Getriebe top, die Sitze straff wie am ersten Tag – auch wenn mancher Fleck auf den Bezügen von schnellen Mahlzeiten am Steuer erzählt. An der Reinigung ist übrigens selbst Meister Propper gescheitert. Trotzdem: Billig wirkt im Innenraum nichts. Selbst das Blech unter den Teppichen ist satt lackiert. Sicher ist sicher. Bis zum Schluss hat nichts geklappert oder geknistert. Auch nicht das riesige Panoramadach (640 Euro Aufpreis).

Das Roomster-Design polarisiert

Und dann finden wir doch noch was. Versteckt unterm Türgummi im Einstiegsbereich hat der Lack eine offene Wunde. Zehn Zentimeter lang. Links und rechts identisch, wie eineiige Zwillinge. Leichter Rost beginnt bereits zu blühen. "Ein Montagefehler, der seit Mai 2007 abgestellt ist", versichert uns Skoda. Wer einen Roomster vor diesem Datum hat, sollte seinen Händler bitten, mal auf Kulanz nachzuschauen. Weit mehr als die Qualität wurde die Optik diskutiert. Ein Typ mit Charakter – ja. Aber vorn und hinten passen irgendwie nicht zusammen, wie zwei zu sammengesetzte Autos. Das liegt am Designbogen der vorderen Türen. Und gerade diese abgerundete Fensterecke stört extrem beim Abbiegen. Technisch ist der Roomster durch die Modulbauweise vorn ein Fabia, im Heckbereich ein Octavia. Hunderttausendfach bewährte Komponenten. Inklusive eines Fahrwerks, das mit den Besten der Klasse um die Wette fährt. Sicher, durchaus straff, nicht unkomfortabel, nie schwammig.
Der Motor unseres Dauerläufers stammt ebenfalls aus dem großen VW-Regal. Ein 1.9 TDI mit 105 PS. Giftig im Antritt, aber laut und rau, weil er noch nach dem Pumpe-Düse-Prinzip einspritzt – von dem sich VW ja nach und nach verabschiedet. Ein echter Nervbolzen. So nervig, dass sich die meisten Eintragungen im Bordbuch um diesen Kulturbanausen drehen. Vom niedlichen "Brummbären" bis zum vernichtenden "Traktor" reicht die Kritik. Zumal kein sechster Gang die Drehzahlen auf der Autobahn reduziert und die nur einfach ausgeführten Türdichtungen für zusätzliche Stimmung im großen Resonanzkörper sorgen. Dafür zügeln die hohen Einspritzdrücke den Durst: 6,7 Liter Verbrauch über die gesamte Testdistanz. Das grenzt schon an Geiz. Wobei Gaspedal-Streichler ganz locker eine fünf vors Komma setzten. Schmalkost für ein Auto, das vorwiegend von Familien gefahren wird.

Viel Gegenwert für viel Geld

Skoda Roomster 1.9 TDI
Raumfahrt im Zeitraffer: In nur zwei Jahren spulte der Roomster 100.000 km ab – ohne Ausfälle, aber mit kleinen Ärgernissen.
Zu 88,5 Prozent sind es Paare, meistens mit Kindern, die sich für den Roomster entscheiden. Ja, oft wegen des Preises. Der Einstieg beginnt bei schlanken 13.030 Euro (70-PS-Benziner). Und: Mit einem Restwert von 63 Prozent nach drei Jahren ist der Roomster das wertstabilste Auto seiner Klasse. Die 23.265 Euro für unseren Testwagen hören sich natürlich nicht wirklich nach einem Schnapper an. Gemessen an dem, was der Minivan bietet, stimmt der Kurs allerdings. Schließlich ist der 4,20 Meter lange Skoda so eine Art Low-Budget-A-Klasse. Ungemein variabel, überraschend groß. Mit drei Rücksitzen, die nicht nur einzeln verschiebbar sind, sondern sich auch mit wenigen Handgriffen komplett ausbauen lassen. Dann passen 1780 Liter Gepäck rein – mehr als in einen Passat Variant. Oder man packt stehend zwei Fahrräder hinten rein (Halterung: 190 Euro). Geht alles.

Zauberwürfel: Der Roomster packt jede Transportaufgabe

Skoda Roomster 1.9 TDI
Lademeister: Wem das Raumangebot des Roomster nicht ausreicht, sollte sich nach einem Transporter umsehen.
Kurzum, dieser Mischling zwischen Kombi, Van und Kastenwagen entpuppte sich als richtiger Zauberwürfel. Kinder liebten ihn wegen der Kinobestuhlung (hinten höher als vorn), Fotografen wegen der praktischen Heckklappe, die Damen der Redaktion wegen seiner Wendigkeit – und alle zusammen, weil er so ein Kumpel war. Typ treuer Labrador. Etwas knurrig, aber eine gute Seele. Immer für dich da, wenn du ihn brauchst. Ausfälle: null. Reparaturen: Peanuts. Und doch keine Leuchte in der Endwertung. Denn allein fünfmal brannten dem Roomster die Birnen durch. Spannungsspitzen der Lichtmaschine sollen schuld sein, doch so genau weiß das keiner, selbst in Mlada Boleslav nicht, wo sie so stolz sind auf die Qualität ihrer Autos. Skoda tappt im Dunkeln. Und ärgert sich schwarz, weil sie eine (noch) bessere Platzierung in der Zuverlässigkeits-Rangliste verpassen. Die Konzern-Brüder aus Wolfsburg besetzen in dieser Tabelle übrigens dicht gedrängt das letzte Drittel. Vor 20 Jahren hätte man das für einen schlechten Witz gehalten.

Rostiger Einstieg, rüstige Technik

Skoda Roomster 1.9 TDI
Überraschung nach 100.000 km: Rostansatz und eingelaufene Nockenwellen-Lagerschalen.
Der Roomster hat es uns leicht gemacht. Bis auf die zahlreich ausgefallenen Glühlampen hat er den Dauerlauf fast fehlerfrei absolviert. Und auch bei der abschließenden Demontage des Dauerläufers gibt es kein großes Versteckspielen. Der erste Schönheitsfehler fällt uns nach Öffnen der Fronthaube quasi direkt in die Hände. Die Motorabdeckung aus Kunststoff liegt nahezu haltlos im Motorraum. Vibrationen haben nicht zum ersten Mal die Befestigungspunkte verschlissen. Bereits bei gut 75.000 Kilometern gab es eine Reparatur. Neben der losen Abdeckung ist es vor allem der stark verschmutzte Motorraum, der uns auffällt. So unappetitlich wie unnötig. Der aufmerksame Händler hätte beim Service zumindest eine (kostenpflichtige) Reinigung mit anschließender Konservierung anbieten können. Beim näheren Blick in den Motorraum entdecken wir einen eingekerbten Wasserschlauch. Eine scharfe Kante der unteren Motorabeckung hat eine tiefe Wunde im Gummi des Schlauchs hinterlassen. Prognose unserer DEKRA-Sachverständigen: Der hätte sein Wasser nicht mehr lange halten können.

Mängel: Rost am Einstieg, verschlissene Nockenwellen-Lagerschalen

Mehr als nur ein Schönheitsfehler offenbart sich nach dem Entfernen der Türdichtungen. Auf der rechten und linken Seite ist der Lack an exakt der gleichen Stelle beschädigt. Es hat sich unterm Gummi bereits leichte Korrosion gebildet. Roomster-Fahrer sollten diese Stellen von ihrer Werkstatt überprüfen lassen. Im weiteren Verlauf der Demontage fallen noch andere Dinge unangenehm auf, sie sind vor allem kosmetischer Natur. So die verschmutzen Sitzpolster. Sie tragen die Strapazen des Dauertests sichtbar zur Schau. Redakteure beklagten sich immer wieder, dass die Bezüge sich nur schwer reinigen lassen. Auch die Grünspanbildung an den elektrischen Anschlüssen des Anlassers sieht nicht wirklich schön aus.
Technisch steht der Roomster hingegen bestens im Saft. Lediglich den abgenutzten unteren Nockenwellenlagern sieht man an, dass sie mit der schweren Nockenwelle stark gefordert waren. Kolben und Zylinder aber sind top in Schuss. Auch die filigranen Pumpe-Düse-Elemente, die in unserem VW-Passat-Dauertest noch für viel Ärger sorgten, bleiben diesmal ohne Befund. Die perfekte Hohlraumkonservierung und das taufrische Getriebe runden das positive Bild ab.

Hersteller-Reaktionen: Das sagt Skoda ...

Skoda Roomster Rost
Korrodiert: Unter den Dichtungen der hinteren Türen hat sich nach nur zwei Jahren Rost gebildet.
... zum Rost in den hinteren Türausschnitten: Die Korrosion ist wahrscheinlich auf die mechanische Beschädigung der Oberfläche noch vor der Montage der Dichtung zurückzuführen. Im Mai 2007 wurde eine neue Dichtung eingeführt, zudem eine technologische Änderung in der Montage durchgeführt.
... zur Scheuerstelle an einem Wasserschlauch: In der Nähe der Schadstelle gibt es einen Schutzring. Die Position dieses Rings wurde im Januar 2008 optimiert.
... zum Glühlampenverbrauch: Grund dafür sind wohl wiederholte Spannungsspitzen der Lichtmaschine.
... zur losen Motorabdeckung: Die Konstruktion der Befestigung wurde im August 2008 geändert.
... zu abgenutzten Nockenwellenlagern: Im Rahmen der Serie beziehungsweise der Streuung (Verteilung) der Belastung ist dies ein normaler Verlauf.

Das sagen die Leser

"Die Synchronringe wurden gewechselt": Nach 39.000 km musste das Getriebe meines Roomster 1.9 TDI ausgebaut werden. Grund: Bei einigen Getrieben verträgt sich das Öl nicht mit der Beschichtung der Synchronringe. Eigentlich soll ein Ölwechsel reichen. Bei meinem Fahrzeug wurden jedoch die Synchronringe gewechselt. Volker Runkehl, per E-Mail.
"Quietschendes Armaturenbrett": Ich hatte schon viele Autos, doch keines war so klaglos wie der Roomster. Bis auf ein leises Quietschen aus dem Armaturenbrett, keine Probleme. Quadratisch, praktisch, gut. Arndt Weber, per E-Mail.

Fazit

von

Tomas Hirschberger
Es gibt Autos für das Ego, die vor der Disco mächtig Eindruck machen. Und es gibt den Roomster. Kein Aufreißer, ein Pragmatiker. Praktisch, zuverlässig, sparsam. Typ Kumpel. Wäre das Bordbuch ein Poesiealbum, hieße meine letzte Eintragung: "Auf dich kann man sich verlassen." Die Raumfahrt im Roomster überzeugt (fast) auf ganzer Linie. Sein flexibler Innenraum macht ihn zum Helden des Alltags. In der Zuverlässigkeits-Rangliste schüttelt er seine Brüder aus Wolfsburg um Längen ab. Ohne Glühlampen-Ärger wäre der Roomster auf Platz sechs der ewigen Bestenliste gefahren. Was allerdings überhaupt nicht passt, ist dieser laute Bauern-Diesel. Wer ihn wählt, setzt Verbrauch vor Genuss. Eben ganz pragmatisch.

Von

Tomas Hirschberger
Manfred Klangwald