Die Kompaktklasse wird zur Boomregion

Die lange versprochenen blühenden Landschaften nehmen Konturen an: Die Kompaktklasse, von den Herstellern in Sachen Sportlichkeit lange links liegen gelassen, entwickelt sich vom Sanierungsfall zur Boomregion. Wer jedoch glaubt, dass Kürzel wie GTI, OPC, RS und ST das Ende der Fahnenstange markieren, der irrt. Es geht viel mehr: mehr Spaß, mehr Spannung, mehr Spritzigkeit. Den Beweis liefert dieser Vergleich. Ein Blick auf unsere fünf Kandidaten wischt auch automobilen Gourmets schlagartig das Gähnen aus dem Gesicht.

So ähnlich die Zielsetzung, so unterschiedlich die Methoden: Oettinger beispielsweise haut mit seinem A3 Sportback richtig auf die Pauke,
Kraft satt: 310 PS mobilisiert der Vierzylinder im Oettinger-A3.
. Der Traditions-Tuner zerstört den nüchternen Audi-Stil nicht, sondern verfeinert ihn. Hier ist kein Spoiler zuviel, kein Flügel zu groß – trotzdem scheint der A3 vor Kraft zu bersten. Auch unter der Haube brennt Oettinger ein Feuerwerk ab: Mächtige 310 PS leistet der A3 Sportback und damit über 50 Prozent mehr als in der Serie. Ein größerer Turbolader verhilft in Verbindung mit einem Ram-Air-Staudrucksammler und Chiptuning der 200-PS-Basis zu 110 Extra-Pferdchen. Und die sind nachdrücklich spürbar. Mit seinem Allradantrieb bringt der A3 die Kraft nahtlos auf den Asphalt. Alle bisher von uns getesteten getunten A3 Sportback 2.0 TFSI watscht das Oettinger-Auto nachdrücklich ab. Lediglich der 300 PS starke Abt-A3 sprintet etwas fixer auf 200 km/h – Oettinger benötigt dafür 25, Abt 22,4 Sekunden.

Dafür gewinnt der durchzugsstarke Oettinger-A3 die Elastizitätswertung mit deutlichem Vorsprung (4,2 Sekunden für 60–100 km/h im 4. Gang – statt 5,3 Sekunden bei Abt). Schön, dass der Verbrauch trotz allem im Rahmen bleibt – 11,4 Liter sind in Anbetracht des satten Leistungspotentials durchaus noch okay. In Sachen Höchstgeschwindigkeit gibt sich Oettinger zu optimistisch: Die angegebenen 258 km/h erreichte unser Testwagen nicht ganz – bei Tacho 250 war Schluss.

Die erste Überraschung: Der schwächere SLS-Golf bietet dem Audi in dieser Disziplin Paroli: Das Auto rennt locker-flockig Tacho 270. Wen wundert’s? Ist Motorentuner SLS doch ausgewiesener Performance-Fachmann. Diesbezüglich erfüllt der GTI denn auch alle Erwartungen: Geschickt kombiniert er Chiptuning mit einer leistungsfähigeren Kraftstoffpumpe und einem Sportauspuff mit Metallkats. Resultat: 59 Mehr-PS (259 statt 200). Und die treten vollzählig zum Dienst an. Entfesselt tobt der Golf über die Bahn. Der Auspuff trifft fast immer den richtigen Ton. Nur selten geht sein kerniges Röhren in nerviges Dröhnen über.

Wer auf der PS-Treppe eine weitere Stufe herabsteigt, stößt auf Milotec.
Überzeugt mit reichlich Schub: der Milotec-Octavia.
Wie SLS und Oettinger bedient sich der Wiesbadener Tuner des 2.0-TFSI-Motors mit 200 Basis-PS, belässt es jedoch bei 35 Extra-Pferdchen. Die sind im Handumdrehen herausgekitzelt: Milotec lässt lediglich die Elektronik optimieren und bedient sich hier beim österreichischen Chiptuner Oberscheider. So klein das PS-Paket, so vernehmbar setzt es sich in Szene: Der Motor hält sich charakterlich eng an die Serie, überzeugt jedoch in allen Drehzahlbereichen mit einer Extraportion Schub. Beim Sprint auf 200 km/h macht der getunte Skoda gegenüber der Serie respektable 3,4 Sekunden gut (30,1 statt 33,5 Sekunden). Warum das Light-Tuning deshalb gleich 1,3 Liter mehr Super plus einfordert als die Serie, bleibt ein Rätsel (11,3 statt zehn Liter pro 100 km).

Irmscher-Opel mit nervösem Fahrwerk

So gering die Modifikationen unter der Haube, so gewaltig die optischen Veränderungen: Die Zeiten, als die unauffälligen Modelle des tschechischen Herstellers im Verkehrgetümmel untergingen, sind dank Milotec vorbei. Mit seiner grimmigen Front sprengt der Skoda auch hartnäckige Abwehrriegel von der linken Autobahnspur. An der Frage, welcher Basis sich das feuerrote Spielmobil bedient, scheint mancher Verkehrsteilnehmer zu verzweifeln.

Selten sah ein Focus so gut aus: Loder-Ford mit imposanter Optik.
Die wahre Identität des Loder-Focus hingegen lässt sich auf den ersten Blick klären. Aufgerissene Münder sind trotzdem die Regel – sah doch schon lange kein Ford mehr so gut aus. Modeschmuck in Form von Spoilerecken in Sichtcarbon hübscht die strahlendweiße Schale auf. Ein 20-Zoll-Radsatz unterstreicht den Aha-Effekt und ist alltagstauglicher, als es auf den ersten Blick scheint. Durch den weit außenstehenden Felgenrand nehmen die Räder zwar auch den winzigsten Bordsteinkontakt übel. Dafür nervt selbst bei vollem Lenkeinschlag kein Schleifen – und der Federungskomfort ist deutlich besser als befürchtet.

Natürlich kosten die Riesenpuschen Leistung: Vom Normalo-ST vermag sich der chipgetunte Focus kaum abzusetzen (null auf 100 km/h in 7,1 statt 7,2 Sekunden), auch die Höchstgeschwindigkeit bleibt mit 241 km/h auf dem Niveau der Serie. Zudem stört im Teillast-Betrieb bisweilen zartes Ruckeln. Halb so schlimm: Bei Vollgas sind derlei Fisimatenten nicht zu beobachten.

Auch der Irmscher-Opel hat so seine Eigenheiten: Ist der normale OPC mit den 240 PS an der Vorderachse schon überfordert, kapituliert der Irmscher-Astra endgültig vor den Urgewalten. Sobald der Turbo einsetzt, will das Lenkrad eisern umklammert werden, um die Antriebseinflüsse unter Kontrolle zu bekommen. Tacho 250 sind dank des urgewaltigen Motors rasch erreicht. Auf dem Weg dahin heißt es jedoch: Obacht. Geradeauslauf ist dieses Astras Sache nicht, der Fahrer muss ständig korrigieren.

Viel Dampf für einen Fronttriebler: 265 PS zerren an der Vorderachse.
Da sich das Irmscher-Fahrwerk bis auf den Tieferlegungssatz nicht von dem des OPC unterscheidet, raten wir von den kürzeren Federn ab. Ansonsten hat Irmscher die Herausforderung, den ab Werk schon ziemlich ausgereizten OPC-Astra zu optimieren, hervorragend gelöst: Die OPC-Anbauteile ersetzt Irmscher durch gediegene Eigenkreationen. Auch das Motortuning ist nicht von Pappe. Die chipgetunte Maschine hat einen unglaublich starken Antritt.

Oettinger siegt in Oschersleben

Nach der Pflicht folgt die Kür – vom öffentlichen Straßenverkehr geht’s auf die Rennstrecke. Dass der Oettinger-A3 nach vorn fährt – wenn auch mit winzigem Vorsprung –, ist keine Überraschung. Die Kombination aus Topmotor plus Toptraktion setzt sich in Oschersleben erwartungsgemäß durch. Nur die Serienbremse beginnt nach wenigen Runden zu schwächeln. Optional bietet Oettinger eine größer dimensionierte Anlage an. Dass der Irmscher-Astra auf Platz zwei fährt, darf hingegen als Überraschung gelten: Die Seitenneigung ist hoch, die serienmäßige Lenkung ein Debakel. Irmscher verbessert Schlechtes und knöpft dem serienmäßigen Astra OPC immerhin knapp über eine Sekunde ab.

Zwei Sekunden schneller als die Serie: SLS-GTI in Oschersleben.
Auch der SLS-GTI schlägt sich wacker. Dank unerbittlich harter Abstimmung umrundet er den Kurs trotz Traktionsproblemen um zwei Sekunden schneller als die Basis – obwohl auch bei ihm die Serienbremse zu schnell einknickt. Loder beweist auf der Piste, dass seine Mehrleistung nicht nur auf dem Papier existiert. Er stiehlt dem Werks-ST 1,5 Sekunden pro Runde. Die Fahrbarkeit des getunten Focus überzeugt: Motor, Fahrwerk und Antriebsstrang gehen eine schlüssige Verbindung ein.

Dem Milotec Octavia macht dagegen seine ausgeprägte Untersteuerneigung im Kurvenausgang zu schaffen: Wer das Gaspedal auch nur einen Hauch zu früh durchtritt, rutscht unweigerlich Richtung Außenrand. Trotzdem geht auch hier der Daumen nach oben: Den Serien-Octavia düpiert Milotec um 1,5 Sekunden. Festzuhalten bleibt also ungewohnt einhellig: Ob Spaß, Spannung oder Spritzigkeit – die Tuner lösen ihr Versprechen in seltener Einhelligkeit ein.

Fazit von AUTO BILD SPORTSCARS-Redakteur Ben Arnold: Lange war es ruhig um den Tuner mit dem großen Namen. Jetzt kehrt Oettinger zurück: Beim A3 zieht der Veredler alle Register. Nicht nur die Performance stimmt, auch das Gesamtpaket hinterlässt einen harmonischen Eindruck. Nur zwei Minuspunkte sind zu verbuchen: maue (Serien-)Bremse, laue Höchstgeschwindigkeit.

Die Bedürfnisse der GTI-Fraktion perfekt zu bedienen, weiß SLS. Sein kompromissloser Golf ist so gestaltet, wie VW-Freaks ihn wünschen: laut, stark, hart und richtig schnell. Normalos hingegen dürfte diese Konstellation überfordern. Das schmale Tuningpaket kostet nicht die Welt, der Mehrverbrauch hält sich in Grenzen.

Was Anbauteile anbelangt, zeigt Milotec, wie’s geht: Den Octavia erkennen wir kaum wieder. Leistungsmäßig gibt sich der Tuner bodenständig: Das kleine Power-Kit funktioniert tadellos, das Fahrwerk ist nur sanft modifiziert. Im Alltagsverkehr macht der Skoda damit eine weit bessere Figur als auf der Rennstrecke.

Der junge Veredler Loder 1899 kredenzt ein Tuningmenü, das Appetit auf mehr macht. Sein Focus ST überzeugt rundum: Imposante Optik trifft tolle Fahrbarkeit. Die Leistungssteigerung im kompakten Ford funktioniert fast tadellos, spiegelt sich aufgrund der riesigen Räder aber kaum in den Fahrleistungen wider.

Der aufgeblasene Motor des Tuning-Astra schiebt phänomenal an und hängt das OPC-Werksauto locker ab. Die Rundenzeit unterstreicht das Potential des Irmscher-Mobils. Mit dem modifizierten Fahrwerk hat der Veredler leider ein Eigentor geschossen: Die kipplige Art des Opel macht auch ausgeglichene Fahrer nervös.

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Von

Ben Arnold