Mit Kampfpreisen und europäischem Design fordert Kia die etablierte Konkurrenz heraus. Auf den ersten Blick ein ziemlich gelungener Angriff auf Golf & Co. Was der Euro-Koreaner wirklich kann, klärt der erste Vergleich.
Preise und Fahrverhalten
Er ist ein 100-prozentiger Europäer: erdacht in Europa, entwickelt in Europa, gebaut in Europa – für Europa! Genauso euphorisch steht's im Prospekt zum neuen Kia cee'd. Großartig. Ein Koreaner, der mit Korea eigentlich nichts zu tun hat. Laut Kia soll genau das der Weg zum Erfolg in der Kompaktklasse sein. Man könnte auch sagen: Ein Anti-Asien-Prädikat als Marketing-Waffe im Kampf gegen Wolfsburg und Rüsselsheim. Ob das für eine Platzierung oberhalb von Golf und Co reicht? Auf den ersten Blick würden wir spontan sagen: ja. Das Design wirkt modern und dürfte einige Vorurteile über den Haufen fahren, Verarbeitung und Ausstattung erweisen sich als klassengerecht, und das Ganze ist offensichtlich funktional durchdacht. Gleichzeitig zeigt sich Kia von den Langzeitqualitäten des cee'd schwer überzeugt, gibt dem Wagen eine fünfjährige Garantie mit auf den Weg – inklusive zwei weiterer Jahre Haltbarkeitsversprechen auf die Antriebskomponenten. Und: Viel Geld will man mit dem kompakten Fünftürer anscheinend auch nicht verdienen. Wie sonst ist es zu erklären, dass die etablierte Konkurrenz durchweg mehrere Tausend Euro teurer ist?
Diese Tatsache wird geradezu erschreckend deutlich, wenn wir vergleichbare Kompakte neben einen 14.300 Euro günstigen cee'd 1.4 LX Basis mit 109 PS stellen. Zum Beispiel den Klassenprimus: Ein Golf mit fünf Türen und 115 PS starker 1,6- Liter-FSI-Maschine kostet als Trendline mindestens 19.440 Euro. Klimaanlage oder CD-Radio fehlen dann zwar. Aber VW liefert einen Trendline wenigstens mit elektrisch verstellbaren Außenspiegeln sowie einem höhenverstellbaren Fahrersitz aus. Auch Opel langt viel selbstbewusster zu als Kia, nimmt für den frisch überarbeiteten Astra mit neuem 1.6-Ecotec-Motor und 115 PS mindestens 18.325 Euro.
Ausstattung? Nicht viel. Ein Temporegler zum Beispiel. Oder elektrisch verstellbare Außenspiegel. Dann wird es auch schon dünn. Nicht viel besser sieht es bei der ausländischen Konkurrenz aus. Selbst die preisbewussten Franzosen können dem cee'd nur einen mindestens 18.200 Euro teuren 307 Tendance 110 (109 PS) entgegenstellen. Zum Ausgleich legt Peugeot wenigstens noch eine Klimaanlage und ein CD-Radio drauf. Japan schickt in dieser Kategorie den teuersten Typ ins Rennen: Stolze 19.491 kostet ein Mazda3 Sport 1.6 Exclusive mit 105 PS. In dieser gehobenen Version immerhin ebenfalls mit einer Klimaanlage und einem CD-Radio bestückt. So weit der erste, oberflächliche Preisabgleich. Wo ist denn da der Haken am Kia? Knausern die Koreaner etwa an der Sicherheit? Mitnichten. Mit sechs Airbags, serienmäßigem ESP, Gurtstraffern und Bremsassistent mischt der cee'd auf höchstem Kompaktklasse-Niveau mit. Schade, erst die nächsthöhere Ausstattungslinie LX (470 Euro zusätzlich) hält aktive Kopfstützen bereit. Dass es dagegen Nebelscheinwerfer (bei Mazda serienmäßig) nur im Paket und adaptive Bremsleuchten (bei Opel) beziehungsweise Notbrems-Warnblinker (bei VW und Peugeot) gar nicht gibt, kostet den cee'd bei uns einige Wertungspunkte. So muss sich der Korea-Europäer beim Thema Ausstattung trotz vorbildlicher Grundversorgung doch tatsächlich noch hinter der Konkurrenz einreihen.
Das gilt aber nicht für die Fahrqualitäten. Europa scheinen die Koreaner wohl grundsätzlich mit flotter Fahrweise gleichzusetzen. Jedenfalls kann den cee'd kein noch so wildes Fahrmanöver aus der Ruhe bringen. Wo der im Lastwechsel übersteuernde Mazda3 bereits korrigierende Lenkeingriffe fordert und der Peugeot in Kurven driftend über die Vorderreifen schiebt, bleibt der Kia erfreulich neutral und leicht beherrschbar. Dazu bügelt das ESP selbst provozierte Fahrmanöver rigoros und souverän aus. Allerdings wirft die übertrieben vorsichtige Grundeinstellung des Anti-Schleuder-Systems den Kia hinter den problemlosen Opel und den narrensicheren VW zurück. Die Elektronik bremst neben den Rädern gleichzeitig leider auch eine Menge Fahrspaß aus. Der Effekt wird besonders beim Anfahren auf nasser Fahrbahn deutlich. Sobald es etwas zügiger losgehen soll, mischt sich die übereifrige Traktionskontrolle ein, verzögert so flotte Ampelstarts.
Beim Golf hat VW das feinfühliger gelöst: Von krafthemmenden Elektronik-Eingriffen ist in der gleichen Situation allenfalls etwas durch die flackernde ESP-Kontrollleuchte im Anzeigenfeld zu bemerken. Gleiches gilt für die Lenkung. Gegen das verbindliche System von VW hat die arg synthetisch wirkende, elektrisch unterstützte Lenkung des cee'd keine Chance. Auch dem zackig reagierenden Mazda oder dem direkt abgestimmten Opel können wir hier keinen Vorwurf machen. Trost für den abgeschlagenen Kia kommt höchstens aus Frankreich: Der Peugeot kann es mit seiner diffusen Steuerung auch nicht besser.
Komfort, Fahrleistung und Fazit
Eine ähnliche Streuung der Qualitäten machen wir im Komfortkapitel aus. Unangefochtener König ist dabei der souverän federnde, gleichzeitig beruhigend satt liegende Golf. Gleich dahinter reiht sich der ebenfalls angenehm alltagstauglich abgestimmte Astra ein. Ohnehin ist der Opel in dieser Kategorie ein Sonderfall: Wer es straffer und dynamischer mag, kann gegen Aufpreis das elektronisch geregelte Sportfahrwerk IDS plus bestellen, dann auf Knopfdruck die Straßenlage schärfen. Weiter mit herkömmlichen Systemen. Hier zeigen der gelegentlich polternde Peugeot und der spröde ansprechende Kia ihre Schwächen. Speziell auf kleine Unebenheiten wie zum Beispiel Fahrbahnquerfugen – mag der cee'd überhaupt nicht reagieren, er wirkt auf welligem Asphalt unangenehm hölzern. Auch die sportlich straffe Grundeinstellung des dynamisch getrimmten Mazda wirkt sich im Komfortkapitel nachteilig aus: Der 3er ist zwar ein spaßiger Kurvenräuber – für die Praxis aber häufig schlicht zu hart gefedert.
Im Gegensatz zum Komfort rücken die fünf Kompakten bei den Fahrleistungen deutlich dichter zusammen. Erstaunlich, da doch der Kia mit einem gehörigen Hubraumdefizit fertig werden muss. Aber außer durch eine leichten Anfahrschwäche machen sich die zur Konkurrenz fehlenden 200 Kubikzentimeter Zylindervolumen in der Praxis kaum bemerkbar. Wacker und relativ unspektakulär schnürt der Vierzylinder des cee'd durchs Drehzahlband, bringt den immerhin fast 1300 Kilogramm schweren Fünftürer in unter zwölf Sekunden auf Tempo 100. Respekt! Damit bleibt der Kia sogar dem deutlich stärkeren Opel locker auf den Fersen. Ganz anders bei der Elastizität. Hier geht dem verhältnismäßig kleinen cee'd-Motor schnell die Puste aus. Einzige Chance, an Opel und Co dranzubleiben: runterschalten. Das ist bei der sauber einrastenden Schaltung sogar eine Freude. Das totale Gegenteil in dieser Disziplin stellt der Peugeot dar. Lange Wege und eine ungenaue Führung des Schalthebels bremsen in Verbindung mit einem etwas zäh ansprechenden Motor die Freude am Fahren.
Bei Mazda macht sich der unnötig hohe Kraftaufwand des Kupplungspedals negativ bemerkbar – das ist schade, weil der Vierzylinder ansonsten angenehm spritzig läuft. Dem etwas knurrig rumorenden Golf verhilft vor allem seine sauber zu schaltende Sechsgangbox zu ansehnlichen Sprintzeiten – gleichzeitig natürlich zu einem niedrigen Drehzahlniveau bei höheren Geschwindigkeiten. Zum Vergleich: Während der Kia – wie übrigens auch Mazda, Opel und Peugeot – bei Tempo 100 mit rund 3000 Touren in höheren Drehzahlregionen kreischt, singt der Golf bei gemächlichen 2500 Umdrehungen vor sich hin. Nachteil: Entsprechend zähe Werte liefert der VW bei unserer Elastizitätsmessung im höchsten Gang. Positive Resultate ergeben sich durch das Getriebe des Golf jedoch bei der Verbrauchsmessung. In diesem Vergleich knausert der FSI mit Abstand am besten. Seine 7,4 Liter Durchschnittsdurst sind gegen die 8,1 Liter des 307 eine Welt. Zumal sich der Peugeot – zusammen mit dem Kia – auch in einer anderen Disziplin einen Ausrutscher leistet. Im wahrsten Sinne des Wortes: Sowohl 307 als auch cee'd kommen in unserer Bremsprüfung aus Tempo 100 erst nach über 39 Metern zum Stehen. Das ist zwar noch ein passabler Wert, aber gegen die 37 vor dem Komma des Mazda3 bestimmt kein Ruhmesblatt.
Noch mehr Schelte steckt der Kia im Kapitel Zuladung ein: Auch wenn der Koreaner mit klassenüblichen Werten für das Kofferraumvolumen dienen kann und mit einer vernünftigen Klapp-Lösung der Rückbank aufwartet – die 430 Kilogramm Zuladung sind in dieser Klasse beschämend. Dazu wundern wir uns darüber, warum sich der Tankdeckel auf der unpraktischen linken Seite befindet oder dass trotz Dreieckfenster in der C-Säule viel Sicht nach schräg hinten fehlt. Nicht, dass wir hier nur über Kia meckern wollen. Auch die Konkurrenz zeigt funktionale Schwächen. Peugeot nervt mit einer umständlichen Schlüssel-Lösung für den Tankdeckel, die Gurt-Fummelei auf dem hinteren Mittelplatz im Mazda3 ist eine Zumutung, der Golf darf sich wie gehabt für seine Pseudo-Variabilität der klappbaren Fondbank-Lehne schämen. Und Opel? Da vereitelt die unlogische Bedienführung der Klimaanlage bessere Noten. Im Kia dagegen stimmt das europäische Klima. Wie versprochen.
Fazit: Das war knapp: Kia ist Opel hautnah und VW greifbar auf den Fersen. Hätten die Koreaner den cee'd stärker gemacht, sinnvoller ausgestattet, komfortabler abgestimmt – da hör’ ich doch glatt die Siegeslorbeeren rascheln. So bleibt dem Kia der Titel des – empfehlenswerten – Niedrigpreis-Wunders. An der Spitze bleibt VW.
Garantien im Vergleich: Sieben Jahre Garantie auf den cee'd – das klingt nach einem unschlagbaren Angebot. Einmalig ist es auf jeden Fall. Aber die Konkurrenz hält versteckt dagegen. Mit aufpreispflichtigen Anschlussgarantien. So bietet Mazda gegen 184 Euro ein Fünfjahrespaket. Peugeot verlangt 1100 Euro für diesen Zeitraum, VW 573 Euro. Opel schließt für 272 Euro immerhin auch das dritte und vierte Jahr mit in die Garantie ein.
So viel Rabatt ist möglich: Die Autohändler buhlen um die Gunst der Kunden. Einige, wie etwa Peugeot – schnüren Pakete aus Rabatten, Gratis-Wartungen und Anschluss-Garantie. Andere, wie Opel Dello, Deutschlands größter Opel-Händler, lassen beim Astra bis zu 23 Prozent. Verlierer sind oft die kleinen Händler. Sie bekommen vom Hersteller wegen geringerer Verkaufszahlen kleinere Margen als die großen. Aber auch den Neuling Kia cee'd gibt es bis zu sechs Prozent unter Listenpreis. Und das macht bei einer höherwertigen Ausstattung oder dem nächstgrößeren Motor schnell 1000 Euro Preisvorteil. Damit können Sie rechnen: • Kia: fünf bis sechs Prozent • Mazda: zehn bis 15 Prozent • Opel: bis zu 22 Prozent • Peugeot: bis zu zehn Prozent • VW: sechs bis zehn Prozent.
Den gesamten Vergleich mit allen technischen Daten und Wertungen können Sie hier bequem als PDF herunterladen.