(Reuters/dpa/cj/brü) Der neue Vorstandschef Herbert Diess will den weltgrößten Autobauer Volkswagen im Wettkampf mit der Konkurrenz schneller zu einem echten Mobilitätskonzern umbauen. Das Unternehmen müsse noch mehr Tempo aufnehmen und deutliche Akzente bei Elektromobilität, Digitalisierung und neuen Dienstleistungen setzen, sagte der neue Konzernchef am 13. April 2018 in Wolfsburg. Eine "Revolution" sei nicht geplant, stattdessen gehe es "um eine entschlossene Weiterentwicklung". Einen Tag zuvor hatte der VW-Aufsichtsrat nach einer Sitzung bekannt gegeben, dass der bisherige Leiter der Kernmarke VW die Führung des gesamten Konzerns übernehmen soll. Ihm wird ein noch unbekannter Chief Operating Officer (COO) als rechte Hand zur Seite gestellt, der das Tagesgeschäft der Marke mit leiten soll.

Müller und Blessing gehen, Stadler bleibt

Martin Winterkorn (l) der Vorstandsvorsvorsitzende der Porsche Automobil Holding SE, und Matthias Müller (r), der Vorstandsvorsitzende des Stuttgarter Sportwagenherstellers Porsche AG, unterhalten sich am Donnerstag (17.03.2011) bei der Bilanz-Pressekonferenz der Porsche SE auf dem Podium. Neben den Erwartungen für das Geschäftsjahr 2011 geht es bei der PK vor allem um die Hörden für die Sportwagenschmiede auf dem Weg unters Dach von VW.
Matthias Müller (r.) löste 2015 Martin Winterkorn ab, der wegen des Abgasskandals zurücktreten musste.
Bild: DPA
Diess-Vorgänger Matthias Müller scheide im gegenseitigen Einvernehmen mit sofortiger Wirkung als Vorstandsvorsitzender aus, teilte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch mit und dankte ihm für seine Arbeit. Müller hatte das Steuer im Herbst 2015 von Martin Winterkorn übernommen, der wegen der Dieselaffäre zurücktreten musste. Müller galt als enger Vertrauter Winterkorns, trat aber aus dessen Schatten heraus und brachte VW in dessen größter Krise wieder an die Weltspitze.

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Mit dem größten Umbau in der 80-jährigen Firmengeschichte geht ein Stühlerücken im Vorstand einher. Neben Einkaufs-Chef Francisco Garcia Sanz, der auf eigenen Wunsch aus dem Konzern ausscheidet, nimmt Personalvorstand Karlheinz Blessing seinen Hut. Für ihn rückt der bisherige Generalsekretär und Vertraute von Betriebsratschef Bernd Osterloh, Gunnar Kilian, in den Vorstand ein. Der schon mehrmals als Abschusskandidat im Dieselskandal gehandelte Audi-Chef Rupert Stadler ist vom großen Stühlerücken nicht betroffen. Er leitet künftig die sogenannte Marken-Premium-Gruppe. Wie tickt der neue VW-Chef Diess? Welche Machtfülle bekommt er? Wie und warum teilt Volkswagen seine Geschäftsfelder auf? Alle Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Konzernumbau bei VW:

Die Zukunft von VW

Wie viel Macht bekommt Diess?

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Der neue VW-Chef bekommt mit der Leitung der Volumengruppe mehr direkten Einfluss auf das operative Geschäft als Müller. Die Machtfülle des früheren BMW-Managers bei Volkswagen ist vergleichbar mit der von Müllers Vorgänger Martin Winterkorn, der neben seiner Aufgabe als Konzernchef auch die umsatzstärkste Marke VW leitete. Der 59 Jahre alte frühere BMW-Manager Diess verantwortet zudem künftig auch die Konzernentwicklung und -forschung. Außerdem lenkt er die Fahrzeug-IT - also alles rund um die Vernetzung des Autos.

Diess hat die volle Rückendeckung der Arbeitsnehmerseite, nachdem der ehemalige Generalsekretär von Betriebsratschef Bernd Osterloh, Gunnar Kilian, zum Personalvorstand ernannt wurde. Osterloh, der im Rahmen des Sparprogramms "Zukunftspakt" noch harte Kämpfe mit Diess geführt hatte, begrüßte es in einem Brief an die Belegschaft ausdrücklich, "dass der Konzern und die Marke VW Pkw wieder in Personalunion geführt werden sollen".

Was für ein Typ ist Diess?

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Der frühere BMW-Vorstand hat sich in Jahrzehnten in der Autoindustrie einen Ruf als Kostenkiller, Krisenmanager und knallharter Verhandler erworben. Seit der in München gebürtige Österreicher im Juli 2015 bei VW anheuerte, gilt er dort als Kronprinz. Der umtriebige Manager, der im Herbst 60 Jahre alt wird, brachte inmitten von Dieselskandal und Branchenumbruch die schwächelnde Kernmarke auf Kurs. Monatelang stritt Diess dabei mit dem Betriebsrat über einen Zukunftspakt samt massivem Stellenabbau. Im "Spiegel" wurde er damals als "das meistgehasste Vorstandsmitglied von VW" bezeichnet.

Andererseits gilt er als diplomatischer und verbindlicher als der bisherige Konzernlenker Müller. Dass Diess sich auch harscher Kritik aussetzt und dann stets beherrscht zu kontern versucht, könnte selbst nach der schlimmsten Phase von Dieselgate ein entscheidendes Kriterium für die Aufseher gewesen sein, ihn an die Spitze des Autobauers zu holen. Es heißt, Diess setze Mitarbeitern ehrgeizige Ziele, verlange viel und könne ungemütlich werden, wenn einer nicht liefert. Hervorgehoben wird aber auch seine Bodenhaftung. Er sei kein eitler Typ, eher bodenständig.

Welche Strategie verfolgt der VW-Konzern?

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Die Autobranche ist mitten in einem umfassenden Wandel hin zu alternativen Antrieben, mehr Vernetzung und autonomem Fahren. VW bestreitet die größte Herausforderung der Konzerngeschichte mit der "Strategie 2025". Die übergeordnete Vision lautet, zu einem weltweit führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität zu werden. Mit der neuen Personalstruktur wird die zweite Phase mit gesteigertem Tempo eingeleitet. Laut Diess wird der Kulturwandel nach dem Dieselskandal mit den Schwerpunktthemen Integrität und Compliance weiter vorangetrieben. Technisch soll bis 2020 unter anderem – bei gleichzeitigem Ausbau elektrifizierter Modelle – das Angebot im wachsenden SUV-Segment um mehr als 20 Modelle erweitert werden. Bis 2025 steht die Entwicklung von mehr als 30 neuen E-Fahrzeugen im Fokus.

Wie wird das neue Geschäftsmodell gegliedert?

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Die zwölf Fahrzeugmarken werden in drei Gruppen gebündelt: 1. eine "Volumen"-Gruppe mit VW an der Spitze, dazu Skoda, VW und die kleinen Nutzfahrzeuge. 2. eine "Premium"-Gruppe allein mit Audi sowie eine "Superpremium"-Gruppe mit Porsche, sowie Bentley, Bugatti und Lamborghini. Dazu kommen die Einheiten Beschaffung und Komponente sowie Finanzdienstleistungen. Für die Nutzfahrzeugsparte mit den Marken MAN und Scania soll ein Börsengang ausgelotet werden.

Insgesamt wird der Konzern in diese sechs Geschäftsfelder sowie die Region China gegliedert. Das Management soll künftig schneller entscheiden, das Unternehmen agiler werden. Diess setzt nach eigenen Worten "auf einen losen Verband von Schiffen" statt "auf einen Tanker". Zudem will die Führungsriege den Wert von Randbeteiligungen für den Konzern ausloten und sie gegebenenfalls verkaufen. Man werde Optionen für nicht zum Kerngeschäft gehörende Teile prüfen. Dazu gehöre die Motorradmarke Ducati, deren Verkauf in der Vergangenheit an Widerstand im Aufsichtsrat gescheitert war.

Die Personalstruktur in der Übersicht

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Der bisherige VW-Markenchef Herbert Diess übernimmt zusätzlich die Leitung des Konzern-Gesamtvorstandes und löst damit Matthias Müller ab. Dieser bleibt bis zum Ablauf seines Vertrags bis 2020 beratend für VW tätig.

Gunnar Kilian, Generalsekretär und Vertrauter von Betriebsratschef Bernd Osterloh, wird neuer Personalchef und damit Nachfolger von Karlheinz Blessing. Dieser steht VW weiterhin als Berater zur Verfügung, bis sein Vertrag ausläuft.

Der schon mehrmals als Abschusskandidat gehandelte Audi-Chef Rupert Stadler ist vom großen Stühlerücken nicht betroffen. Er leitet die künftige Premium-Gruppe. Porsche-Chef Oliver Blume wird ordentliches Mitglied im Konzernvorstand und Chef der "Super Premium"-Gruppe. Stadler ist außerdem verantwortlich für den Konzernvertrieb, Blume für die Konzernproduktion.

Der bisherige VW-Vorstand Francisco Javier Garcia Sanz, zuständig für Beschaffung, verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch. Kommissarisch übernimmt der Beschaffungschef der Marke VW, Ralf Brandstätter.