Neben der Bremse ist die Lenkung die wohl wichtigste Sicherheitsausstattung eines Autos. Die Bedeutung der Lenkung ist so hoch, dass sie auch in allgemeinen Sprachgebrauch überging: Am Lenkrad drehen, das ist der Inbegriff von Macht. Und niemand lässt sich gern ins Lenkrad greifen. Doch in Zukunft müssen wir das wohl hinnehmen – wenn die Elektronik die Kommunikation zwischen Fahrer und Lenkachse(n) übernimmt. Beim Steer-by-Wire-System zukünftiger Elektroautos ist das Lenkrad nicht mehr über eine Stange – die Lenksäule – mit der Vorderachse verbunden. Stattdessen werden elektronische Steuerbefehle von Motoren umgesetzt. Konkret: Die Elektronik übernimmt die Lenkung.
In voraussichtlich drei Jahren werden die ersten Neuwagen-Modelle mit einem Steer-by-Wire-System im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs sein. Das liegt in einigen Ländern und gerade in den USA noch an fehlenden Freigaben, während Autohersteller und Zulieferer noch an der perfekten Feinabstimmung arbeiten. Verkehrsflugzeuge haben das schon seit Jahrzehnten.

Die zurzeit besten E-Autos

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Schon 1998 gab es einen Mercedes ohne Lenkrad

Wenn die Lenksäule nicht mehr notwendig ist, braucht es auch kein Lenkrad mehr. Diese Frage bewegt die Menschen und die Industrie schon länger. Mercedes stellte im Jahre 1998 einen Prototyp seiner SL-Baureihe R129 vor, der nicht von einem lederummantelten Lenkrad, sondern zwei Joysticks gesteuert wurde. Mit diesen zwei Sticks konnte der Fahrer nicht nur die Fahrtrichtung ändern, sondern so wurden auch Gas und Bremse bedient. 
So stellt es ZF sich vor: Statt der Lenksäule, mit oder ohne Servo- bzw. Elektro-Unterstützung, übernehmen E-Motoren direkt am Rad die Lenkung.
Bild: ZF

Die Steer-by-Wire-Technologie überträgt die Befehle des Fahrers vollständig über elektronische Signale an das Lenksystem, sodass keine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Vorderachse mehr erforderlich ist. Das ermöglicht neue Sicherheits- und Komfortfunktionen wie autonome Ausweichmanöver oder das Einparken auf engstem Raum.

Bosch und ZF führend in dieser Technologie

Dieser Schritt gilt als Meilenstein auf dem Weg zu selbstfahrenden Fahrzeugen, indem sie neue Design- und Entwicklungsfreiheiten eröffnet.  Nachdem viele Jahr erprobt wurde, steht die Steer-by-Wire-Technik nun vor dem Durchbruch. Neben Toyota treibt gerade der chinesische Hersteller Nio die Entwicklungen voran – mit entsprechender Expertise von deutschen Zulieferern wie Bosch und ZF.
"Das neue Steer-by-Wire-Konzept von ZF ist eine marktführende und zukunftsweisende Technologie", sagt ZF-Vorstand Holger Klein. ZF wird seine neue Elektroniklenkung in der neuen Fahrzeugplattform von Nio verbauen, die 2025 auf den Markt kommen soll. 
Der chinesische Hersteller Nio arbeitet mit ZF an einer elektronischen Lenkung. Sie wird 2025 in der neuen Fahrzeugplattform integriert sein.
Bild: ZF

Neben Nio will auch General Motors seine neuen Elektromodelle mit einer Steer-by-Wire-Lenkung ausstatten. Die neue Ultium-Plattform, auf der unter anderem Modelle wie der Lyriq oder der Celestiq unterwegs sind, ist dafür bereits vorbereitet, um das Fahrerassistenzsystem Supercruise der nächsten Generation zu ermöglichen.

Toyota will Steer-by-Wire im Elektroauto anbieten

Toyota will nun in Europa als einer der ersten das System zur Marktreife bringen. Der elektrische Mittelklasse-SUV Lexus RZ 450e wird die neue Elektrolenkung bekommen. Jedoch nicht zum Marktstart in diesem Frühjahr, sondern erst Anfang 2025. Was sich erst einmal unspektakulär und allzu technisch anhört, ist in der Automobilindustrie ein Quantensprung in die Zukunft, denn bisher war die starre Verbindung zwischen Lenkrad und Vorderachse obligatorisch.
Auch der neue Lexus RZ 450e wird - ebenso wie sein Schwestermodell Toyota bZ4x - eine elektronische statt der mechanischen Lenkung bekommen.
Bild: Lexus

Servolenkung, variable Übersetzung und elektrische Überstützung – das gibt es bereits alles seit langem, doch 2025 kommt der Lexus RZ 450e als eines der ersten Serienmodelle mit einer rein elektrischen Lenkung – eben ohne diese starre Verbindung. Das spart nicht nur Bauraum im Vorderwagen, sondern ermöglicht ein völlig neues Lenkgefühl. Statt zweieinhalb Umdrehungen reichen zukünftig kurze Bewegungen in Händen und Unterarmen, dass die Vorderachse maximal einschlägt und der Wagen zackig um die Ecke fährt. 
"Wir haben bereits Großserienerfahrung bei Sicherheitssystemen", sagt Manfred Meyer, Leiter aktive Sicherheit, Lenkung und Bremssysteme bei ZF. Der Friedrichshafener Zulieferer verfügt über eine jahrelange Expertise beim Integrieren von Bremsen, der Hinterachslenkung, des Brake by Wire (elektronische statt mechanische Bremsen) und eben auch der elektromechanischen Lenkung.

Software-Steuerung bringt größeren Wandel als die E-Mobilität

Diese Prozesssicherheit ist das Zünglein an der Waage. Den Rest erledigen Simulationen und Feinabstimmung der Testingenieure. Immer hilft die große Erfahrung des Zulieferers. Da spielt die Software eine große Rolle. "Wir erkennen Fehler im Grunde schon, bevor sie auftreten", sagt der ZF-Mann Meyer und führt weiter aus, dass man das System nicht sofort komplett offline schaltet, sobald sich eine Fehlfunktion ankündigt, sondern dass es verschiedene Stufen durchläuft.
Vorteile der elektronischen Lenkung sind nicht nur Gewichtsersparnis, sondern auch ein völlig neues Lenkgefühl und mehr autonome Features.
Bild: ZF

Zudem kommt die ZF-Lenkung mit zwei Elektromotoren aus. Das ist bereits die Mindestanzahl, wenn es um Redundanz geht.  Das Steer-by-Wire-System ist ein weiterer Schritt in der Transformation des Zulieferers. Laut Einschätzung des Unternehmens bringt das Software-definierte Fahrzeug mehr Veränderungen als die Elektromobilität.

Von

Wolfgang Gomoll