Man kann ja über vieles streiten, wenn's um Autos geht. Über deren Gesichter, wie sie fahren, wie sie faszinieren. Oder – auch wichtig – wer drin sitzt. Aber wie kann man sich über den Rücken eines Autos nicht entzücken, sondern so erzürnen? Vor allem, wenn es um schöne Hecks geht wie beim Mini Clubman und Scirocco? Diese Typen stehen völlig eigenständig da, meint die Frau im Team, Margret Hucko. Unsinn, alles nur geklaut, vom Volvo 1800 ES, entgegnet Historien-Fan Christian Steiger. Hier haben die beiden AUTO BILD-Redakteure ihr Streitgespräch aufgeschrieben.

Das Konzept des Volvo 1800 ES wurde in den 1970ern nicht verstanden

Volvo 1800 ES
Christian Steiger:
Klar, Margret: Wir haben es hier mit drei aparten Grenzgängern zu tun, so viel Charakter ist immer klasse. Spannend: Die Heutigen sind schon kultverdächtig, bevor sie überhaupt im Laden stehen. Aber den Volvo hat damals keiner wirklich verstanden. Eine Melange aus Coupé und Kombi mit großer Glastür im Nacken, langem Dach und wenig Nutzwert – das war zu viel für die frühen 70er. Erst heute zeigen Clubman und Scirocco, dass eben doch alles wiederkommt. Der Volvo ist ein Prophet. Ich war drei, als er neu war, weiß aber noch genau: Es saßen immer interessante Typen drin. Mich fasziniert er immer noch mehr als Mini und Scirocco, die nur seiner Spur folgen.
Margret Hucko: Nichts dagegen, Christian. Für mich ist der Volvo der James Dean unter den Coupés: wild im Herzen, ein großer Schauspieler, leider aber auch schon lange tot. Menschen, die sich für die Neuauflagen von Scirocco oder Mini interessieren, kennen den 1800 ES nicht mal. Sie suchen Unterhaltung in bester Digitalauflösung und kein Auto, das wirkt wie nachkoloriert. Der Volvo ist für Fans, nicht aber für die Masse. Servolenkung, Sitzheizung, ESP – schwörst du dem Glauben an den technischen Fortschritt komplett ab?

Die Neuauflage des VW Scirocco könnte zum fahrenden Muskelshirt werden

VW Scirocco
Christian Steiger:
Ach nein, Margret – für mich ist er nur der Schönste von allen dreien, so eine Art unerreichbares Vorbild. Der Mini macht mir zu sehr auf Retro und Kult. Und beim Scirocco habe ich wie bei allen VW-Coupés Angst vor der Zukunft: Was wird aus ihm, wenn ihn die Wörthersee-Fraktion entdeckt? Ein fahrendes Muskelshirt mit Perlmuttlack? Außerdem ist mir sein Hintern schon jetzt zu breit. Was reizt dich eigentlich an dem Typen? Und bist du sicher, dass der Mini auch morgen noch cool ist?
Margret Hucko:
Ich hab kein Problem damit, dass ein Auto zwischen den Welten wandelt. Von mir aus auch zwischen Wörthersee und Wirtschafts-Yuppies. Hauptsache, es liegt gut in der Hand, statt einfach nur gut auszusehen. Und jetzt kommst du ... Der Schneewittchensarg ist nämlich ein Boulevardsportler, ein Blender. Selbst Vorgänger wie Amazon und Buckel-Volvo fuhren sich sportlicher. Dieses Lastwagen-Lenkrad, das Wintergarten-Ambiente mit beiger Couchgarnitur – das taugt nur zum Schaulaufen auf der Shoppingmeile. Mini und Scirocco haben mehr Talent. Schon mal das adaptive Fahrwerk vom Scirocco ausprobiert?
Christian Steiger: Ja – und Spaß gehabt. Genauso wie mit dem Clubman, aber der animiert mich auf der Landstraße zu Sachen, die nicht mehr vernünftig sind. Dabei müsste er das gar nicht. Im Grunde ist er – wie auch der Volvo – ein klassischer Shooting Brake: So was ließen sich früher die Reichen als Einzelstück bauen, um stilvoll zur Jagd zu fahren, der Schneewittchensarg-Volvo hat die Bauform dann demokratisiert, und heute kann es jeder kaufen. Nur: So sportlich-scharf wie Mini oder Scirocco müssten coole Autos mit langem Dach und großer Hecktür doch gar nicht sein. Der wahre Wert ist doch der gute Stil, nicht die Serpentinen-Tauglichkeit. Schau dir nur die Cockpits von Mini und Scirocco an! Einmal Playmobil-Design, das mir zum frischen Abi gratuliert, einmal Golf mit Pfefferminz-Geschmack. Das ginge beides netter. Oder werde ich alt?

Beim Mini Cooper S bringt der kräftige Motor Fahrspaß ins Spiel

Mini Cooper S Clubman
Margret Hucko:
Was soll ich sagen? Ich habe das Gefühl, dir ist der Spaß am Autofahren abhanden gekommen. Es geht nicht darum, mit "Astra-Killer"-Aufklebern auf der Heckscheibe zu posen. Nicht darum, wer den schwersten Bleifuß besitzt. Scirocco und Mini sind Autos für Genießer, ihren vollen Reiz entfalten sie erst beim Fahren. Wie bei einem guten Wein: Angucken macht Appetit, der wahre Genuss kommt später. Nimm doch nur den 1.4 TSI des Scirocco. Der liefert ein perfektes Zusammenspiel von Turbo und Kompressor. Während der hubraumstärkere Mini-Motor durch bloße Leistung besticht. 174 PS, die lustvoll an der Vorderachse zerren, bis das Lenkrad vibriert. Löst das nichts in dir aus? Dagegen gleicht eine Fahrt im Volvo einem Spaziergang am Stock. Sorry, du gehörst nicht zum alten Eisen, aber deine Einstellung zum Volvo. Übrigens: Shooting Brake? Steht der Begriff im Lexikon der bedrohten Wörter?
Als ob Clubman der frischere Name wäre und Scirocco von heute. In den Rückspiegel schauen sie doch alle gern, weil sich’s gut verkauft. Aber der Volvo ist ganz klar ein Original. Die beiden anderen wollen es noch werden. Könnte klappen. Müssen wir darüber diskutieren?

Von

Christian Steiger
Margret Hucko