Die erste Erkenntnis beim neuen BMW 7er: Er wird leichter. Zum ersten Mal setzen die Münchner bei einem Fahrzeug aus der Großserie in nennenswertem Umfang auf Carbon. Leichter und steifer als Stahl oder Aluminium-Druckguss, senken die Fasern den Schwerpunkt und drücken das Gewicht. "Allein 40 Kilogramm haben wir in der Architektur gespart", sagt Leichtbauchef Florian Schek.
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Leichter, stärker, Siebener
Knapp 130 Kilo Gewicht spart BMW beim neuen 7er durch den Einsatz von Carbonfasern.
Und weil auch die anderen Gewerke jede Schraube und jedes Bauteil drei, vier Mal auf die Waage gelegt haben, summiert sich der Diät-Erfolg auf bis zu 200 Kilogramm. Zwar zehrt die erweiterte Komfort- und Sicherheitsausstattung einen Teil dieses Gewinns wieder auf. Doch am Ende bleibt ein Delta von bis zu 130 Kilogramm und der leichteste 7er wiegt plötzlich nicht einmal mehr 1,9 Tonnen. Mal Sportler im Smoking, mal fliegender Teppich – und dabei immer unaufgeregt, souverän und mühelos soll das Flaggschiff sein und damit Konkurrenten wie die Mercedes S-Klasse oder den Audi A8 ausstechen. Auf die Tragweite dieses Spagats und die extreme Ausprägung der beiden Charaktere sind die Bayern so stolz, dass es bei der ersten Begegnung mit dem 7er nicht beim Blick unters weitgehend aus Aluminium gebogene Blech bleibt. Bereits ein halbes Jahr vor der Publikumspremiere auf der IAA bittet BMW zur ersten Testfahrt.

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Leichter, stärker, Siebener
Die Tarnfolie lässt noch nicht viele Rückschlüsse aufs Design zu – Quantensprünge sind nicht zu erwarten.
Tatsächlich fühlt sich der 7er so leicht und handlich an wie ein 5er oder gar ein 3er. Erst recht, wenn die Prototypen mit der neuen, künftig serienmäßigen Luftfederung und der Hinterachslenkung ausgestattet sind. Während die Wankstabilisierung den Aufbau beruhigt, die eingeschlagenen Räder im Heck die Radien reduzieren und man bei jedem Schlagloch die zehn bis 15 Kilo merkt, die pro Rad an ungefederten Massen eingespart wurden, schneidet der 7er durch die Kurven, als hätte die M GmbH ihre Finger im Spiel gehabt. Die Lenkung ist direkt, verlangt nach einer festen Hand und bei allem Respekt vor dem Rücken der Reisenden lässt einen das Fahrwerk nicht im Unklaren über die Versäumnisse der Straßenmeisterei. Bis man in den Comfort-Modus wechselt und der 7er sein zweites Gesicht zeigt. Die Luftfederung pumpt ihn mindestens einen und maximal vier Zentimeter nach oben, das Fahrwerk macht sich watteweich und den Kurs hält man plötzlich mit dem kleinen Finger – selbst eine US-Limousine wirkt straff und bestimmt gegen die Komforteinstellung, über die vor allem Asiaten jubeln werden.

Ein Plug-in-Hybrid kommt, der Zwölfzylinder bleibt

Dabei macht der 7er schon mit dem neuen 3,0-Liter-Reihensechszylinder im 740i eine ausgesprochen gute Figur – kein Wunder, wenn das Gewicht sinkt und im Gegenzug die Leistung auf um die 350 PS steigt. Daneben wird es zum Start wohl einen V8 mit den bekannten 4,4 Litern Hubraum für den 750i geben, dessen Leistung sicher ebenfalls über den aktuell 450 PS liegen wird. Dazu noch einen Sechszylinder-Diesel in zwei Leistungsstufen und natürlich Allrad für fast alle – fertig ist die Startaufstellung. Dabei wird es aber nicht bleiben: Ganz offen sprechen die Bayern schon über einen Plug-in-Hybriden und geben dem Zwölfzylinder Bestandsschutz. Worüber sie noch nicht so gerne reden, sind die Vierzylinder, die wohl spätestens zur ersten Modellpflege kommen. Leichtbau hat eben nicht nur gute Seiten.
Leichter, stärker, Siebener
Einmal winken, schon wechselt die Musik: Per programmierbarer Gestensteuerung ist das möglich.
Zwar genießt die Dynamik bei den Bayern noch immer oberste Priorität und mit dem 7er beweisen sie, dass der Slogan "Aus Freude am Fahren" weiterhin gilt. Doch weiß die Mannschaft natürlich auch, dass der Krieg auf anderen Schauplätzen ausgetragen wird. Deshalb steht der neue 7er neben dem Leichtbau für eine elektronische Aufrüstung, die vor allem dem Bediensystem gilt. Das virtuelle Cockpit von Audi kontern die Bayern deshalb mit einer ebenfalls voll digitalen Anzeige, die aber immerhin noch physisch greifbare Skalenringe kennt. Für die Klimasteuerung gibt es gleich drei kleine Touchscreens und weil der iDrive-Controller in Zeiten des Smartphones vielleicht doch nicht der Weisheit allerletzter Schluss ist, kann man auch auf dem großen Navigationsbildschirm jetzt touchen, wischen und mit gespreizten Fingern zoomen, wie man es von einem Tablet-Computer kennt. Ganz neu dazu kommt die Gestensteuerung, die mit einer Kamera am Innenspiegel gekoppelt ist und zum Beispiel zur Regelung der Lautstärke des Bordprogramms oder das Anrufmanagement genutzt werden kann: Ein Fingerzeig auf das Display, schon hat man den Gesprächspartner in der Leitung. Und wenn man von links nach rechts wischt, ist Schluss mit dem Geschwätz.

Der neue 7er fährt automatisch in Parklücken

Leichter, stärker, Siebener
Die Haube duckt sich tiefer nach unten, das Heck wirkt in der Seitenansicht etwas coupéhafter.
Während der 7er mit solchen Gimmicks durchaus Eindruck schinden kann, nimmt man die neuen Assistenzsysteme fast schon als gewöhnlich hin. Dass die Elektronik jetzt bis Tempo 210 sanft in die Lenkung eingreift, wenn man von der Spur abkommt oder einfach nur entspannt seinem Vordermann folgen will? Extrem aufwändig in der Entwicklung, aber unspektakulär im Alltag. Auch der intelligente Tempomat, den man mit jeweils einem Knopfdruck auf aktuelle Tempolimits eichen kann, ist nicht gerade ein Erweckungserlebnis. Und ausgerechnet das vielleicht attraktivste Extra markiert den Anfang vom Ende der Fahrfreude, wie wir sie kennen. Denn als erster BMW rollt der 7er die letzten Meter alleine geradeaus in eine enge Parklücke, während der Fahrer draußen steht und auf den neuen Display-Schlüssel drückt.

Fazit

von

Thomas Geiger
Mercedes S-Klasse oder BMW Siebener – das könnte ab Herbst zu einem knappen Showdown im Smoking werden. Allerdings gibt es in diesem Spiel noch einen buchstäblich großen Unbekannten: Ende nächsten Jahres zeigt Audi die nächste Generation des A8 und auch in München machen sie keinen Hehl aus ihrer Neugierde: „Wir sind gespannt, was da auf uns zukommt.“

Von

Thomas Geiger