Erst Daimler, dann Hyundai, jetzt die chinesische Elektrofirma Nio und bald auch Chinas größter Autokonzern SAIC. All diese Unternehmen setzten für ihre autonomen Ambitionen auf Orin-Chips von Nvidia. Die kalifornische IT-Firma nutzt ihr Know-how aus dem Gamingbereich und lässt ihre Erkenntnisse in den Automobilsektor fließen. Vor allem für einen könnte diese Entwicklung gefährlich werden: den ehemaligen Verbündeten Tesla. Zusammen entwickelten die beiden US-Firmen den ersten Autopiloten für Elon Musks E-Autos, jetzt kooperieren jene mit Nvidia, denen seit Jahren vorgeworfen wird, sich abhängen zu lassen.

Millionen-Umsatz im Autobereich

Jetzt könnte man meinen, dass der Automobilbereich bei Nvidia eine Schlüsselrolle im Produktportfolio einnimmt. Weit gefehlt! 2019 machte der Umsatzanteil der Automotive-Sparte nicht einmal ein Achtel dessen aus, was die Amerikaner mit ihre Kernkompetenz dem Gaming verdienten. Trotzdem kann sich der Umsatz von 700 Millionen US-Dollar (10 Prozent mehr als 2018) im Automotive-Sektor sehen lassen. Die Zahlen zeigen also, dass Nvidia bei seiner Automobilsparte voll auf Wachstum setzt.

Mercedes künftig mit Nvidia Drive

Mercedes-Benz geht Kooperation mit NVIDIA ein
Mercedes möchte bis 2024 Fahrzeuge mit Nvidia Drive auf die Straße bringen.
Bild: Daimler AG
Die neuen großen Partner in der Automobilindustrie kommen da wie gelegen. Mit Daimler holt sich der erste deutsche Hersteller die Orin-Chips der Amerikaner im großen Stil unters Blech und plant, damit mit einer hierzulande gängigen Praxis zu brechen. Künftig sollen in den Autos mit Stern die zig Steuergeräte in einer Kontrolleinheit gebündelt werden. Nur so lässt sich in Sachen autonomes Fahren zur Konkurrenz aufschließen. Tesla nutzt diesen Ansatz schon seit Jahren und fährt damit den Europäern vor der Nase herum, mit der Nvidia Drive-Plattform soll sich das ändern (AUTO BILD berichtete). Zeitgleich soll ein eigenes Mercedes-Betriebssystem geschaffen werden, mit dem die Fahrzeugfunktionen noch mehr Daten untereinander austauschen können. Nvidia Chips fanden sich auch schon zuvor in Modellen von Audi und Co. ihre Verwendung, der ganzheitliche Ansatz von Daimler macht die Sache aber speziell.

Erste Hyundai Modelle bis 2022

Aber neben Daimler sicherte sich im November 2020 auch die Hyundai Group einen Kooperationsvertrag mit Nvidia. Auch hier wurde der Einsatz der Nvidia Drive-Plattform beschlossen. Auch hier soll ein eigenes Betriebssystem entstehen und auch hier wird neben dem Infotainment die Möglichkeiten im Bereich des Autonomen Fahrens hervorgehoben. Dabei geben die Koreaner bei der Umsetzung ordentlich Gas. Während Daimler erst ab 2024 den Einsatz in ersten Modellen plant, möchte Hyundai ab 2022 alle Modelle der Marken Hyundai, Kia und Genesis mit den neuen Orin-Chipsätzen ausgestattet sehen (AUTO BILD berichtete).

Nio bringt mit Nvidia Tesla zum Schwitzen

Nio ET7
Im ET7 von Nio sollen vier Nvidia-Chips Tesla ordentlich Beine machen.
Bild: NIO
Chinas Vorzeige E-Autobauer Nio setzt ebenfalls auf amerikanisches Wissen. Da mehr fast immer besser ist, kommen ganze vier Nvidia Chips der Drive-Plattform im neuen Flaggschiff ET7 zum Einsatz. Die Recheneinheiten schaffen zusammen eine Leistung von über 1000 "Tera Operations Per Second" (TOPS). Eine enorme Anzahl an Berechnungen, die sogar Tesla mit seinen aktuell 144 TOPS aus ebenfalls vier Prozessoren ins Schwitzen bringen dürfte. Zum besseren Verständnis: Der A14 Bionic-Chip im neuen iPad Air soll bis zu 11 TOPS maschinelle Lernleistung besitzen. Nach eigenen Angaben von Nvidia handelt es sich beim Orin-Chip um den "leistungsfähigsten Prozessor für autonome Vehikel und Roboter weltweit". Auch Chinas größter Autobauer SAIC möchte zukünftig mit der Nvidia Drive-Plattform seine E-Autos beim autonomen Fahren nach vorne bringen.

Chance für Hersteller aber ein Problem bleibt

Nvidia drängt also mit seinen Prozessoren mit viel Druck auf den Zuliefermarkt. Der Schritt scheint logisch, schließlich kann das Unternehmen auf jahrzehntelange Erfahrung in der Berechnung grafischer Umgebungen zurückblicken und autonomes Fahren braucht genau ein solches Know-how. Für die Hersteller ist der Einbau der US-Chips eine Chance ohne teure Entwicklungsarbeit wieder zur Konkurrenz aufzuholen. Ein Kernproblem wird sich damit aber nicht lösen lassen: Die Abhängigkeit von Fremdfirmen. Während Tesla nach dem Bruch mit Nvidia eigene Entwicklungsressourcen geschaffen und Wissen in seiner Firma generiert hat, müssen sich Wettbewerber weiter auf Drittfirmen verlassen. Vermutlich ist es aber die einzige verbleibende Chance, um am Ball zu bleiben. VW versucht beispielsweise seit Jahren mit viel Geld und neuem Personal aufzuholen, was dabei bislang herausgekommen ist, kann bei Golf 8 und ID.3 betrachtet werden. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber ein Gesamtsystem, das in Sachen Vernetzung nicht ansatzweise an die große Konkurrenz aus den USA heranreicht.

Angriff auf Tesla hat begonnen

Es bleibt also spannend im Kampf um die Marktanteile der Zukunft. Ob Hersteller besser fahren werden, die selbst entwickeln, oder ob diejenigen Erfolg haben werden, die sich gewisse Kompetenzen einkaufen, bleibt abzuwarten. Bei Daimler und Hyundai werden die ersten Früchte der Kooperation mit Nvidia in der nächsten Zeit bereits zu sehen sein. Ob es zum Thron von Tesla reicht wird sich zeigen. Allzu sicher sollte sich der Klassenprimus beim Thema Vernetzung nicht fühlen. Der ehemalige Verbündete hat neue Gefährten um sich herum gescharrt und plant den Angriff!