Immer nur Einsen in der ADAC-Pannenstatistik. Fehlerlos, tadellos, aber auch: profillos. Typischer Fall von Streber. Der hieß in der Golf-Klasse einst Toyota Corolla und besaß aufgrund seiner Zuverlässigkeit zu Lebzeiten mindestens so viele Fans wie Michael Jackson nach seinem Ableben. Auch der Corolla ist tot – es lebe der Auris. Allein mit dem Namen wollte Toyota Boden gutmachen. Dem Alten haftete ein trüber Grauschleier an, ihm fehlte Glamour, Glitter, der Hauch von Hollywood. Eigenschaften, die der Neue möglichst bereits im Namen tragen sollte. "Paris" oder "Hilton" blieb seinem Heck als Etikett erspart – wäre ja auch zu albern. Stattdessen klebt seit 2007 die Aufschrift "Auris" am Kofferraumdeckel, ein Kunstwort, das vom lateinischen Aurum (Gold) abgeleitet wurde.

Gigantischer Aufwand zur Markteinführung des Auris

Toyota Auris 1.6 Executive
Der typische Auris-Käufer in Deutschland ist 53 Jahre alt, 72 Prozent der Auris-Kunden sind männlich.
So, der Name saß – jetzt fehlte nur noch ein entsprechender Auftritt zur Markteinführung. Toyota ließ am 3. März – ganz weltmännisch und völlig unjapanisch – die Korken knallen. Yippiee, Großes stand an – eine neue Zeitrechnung begann, nach mehr als 40 Jahren Produktionszeit kam die Post-Corolla-Epoche in Bewegung. Über 200.000 Plakatwände buchten die Toyoten in 82 deutschen Städten. An jeder Ecke posierte der Auris wie ein H&M-Wäschemodell und hoffte, die Blicke auf sich zu ziehen. Etwa drei Millionen Euro kostete der Auftritt pro Tag – Hammer! Quasi direkt von der Leinwand herab rollte der Auris zu AUTO BILD als Dauertest. Zuvor hatte er im ersten Vergleichstest den Golf als Klassenbesten geschlagen.

Zu Dauertestbeginn erntet der Auris nur Lob

Toyota Auris 1.6 Executive
Zu Beginn erntet der Auris Lob: viel Platz, komfortable-straffe Abstimmung der Feder-/Dämpferrate, kein Klappern.
Er kokettierte mit einer perfekten Sicherheitsausstattung. Als Novum führte er den Knieairbag in der Klasse ein. Und bewies beim Ladevolumen (354 bis 1335 Liter) seine praktische Ader. Beste Voraussetzungen für den AUTO BILD-Alltag. In den ersten Wochen zehrt der Auris 1.6 mit 124 PS (jetzt 132 PS) von seinem Ruhm. Wer den Golf gleich zweimal schlägt, der verdient Respekt und Anerkennung. Weshalb sich die Einträge im Bordbuch lesen wie eine Laudatio: "Auf der Autobahn fährt sich der Auris super. Gute Beschleunigung, komfortables Reisen." Und sooo viel Platz auf der Rückbank, dass nicht nur Kinder, sondern auch hochgeschossene Männer aufrecht sitzen können. Die Feder-/Dämpfer-Abstimmung schließt Frieden zwischen gemütlich und straff.

Rost am Auris

Bis zum Schluss knarzte nichts, selbst beim Zerlegen verkniff der Auris sich jede Blöße an den Fahrwerk Komponenten. Bis auf Oberflächenrost an den Achsträgern – die unbedenkliche Form der Beulenpest. Rost? Toyota? Und das beim Qualitätsfanatiker? Der nach dem Kaizen-Prinzip (ständiges Verändern zum Besseren) jeden Arbeiter ermutigt, das Band zu stoppen, falls ein Fehler droht? Auch diese Erkenntnis gehört zur Ära Auris. Die Zeiten von Toyota als makellosem Musterknaben sind Vergangenheit. Bei AUTO BILD führen andere in der Zuverlässigkeits-Hitliste: Mazda, BMW. Erst auf Platz drei folgt der ehemalige Ewig-Erste: Toyota. Die Japaner abzuschreiben wäre aber unfair. Wie auch den Auris selbst, der insgesamt noch mit der Note gut abschneidet.

Trotz Abwrackprämie sinken die Verkaufszahlen des Auris

Toyota Auris 1.6 Executive
Eiszeit – das ganze Jahr über: Der Toyota Auris ließ mit seinem biederen Design die Herzen der Redaktion kalt.
Kaputte Xenonscheinwerfer, ein bisschen Rost – es könnte schlimmer kommen. Im Markt steht er nämlich schlechter da: Während VW Golf (+ 39 Prozent), Opel Astra (+ 29,3 Prozent) oder Peugeot 308 (+20,9 Prozent) dank der Abwrackprämie im ersten Halbjahr zulegten, verlor der Japaner im gleichen Zeitraum 14,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Autsch, Auris! Das tut weh. Diese Kommentare aus dem Bordbuch übrigens auch: "Total missglückte Mittelkonsole, furchtbare Optik." Die Kritik am Design wiederholt sich mit wechselnden Worten wie in einer Warteschleife. "Irgendwie fehlt diesem Auto der Pfiff." Und immer wieder: "Der hat nix, was einen Kaufreflex auslösen würde." Die gleiche Leier, zwei Jahre lang... Ach was, über 40 Jahre. In diesem Punkt folgt der Auris dem Corolla – trotz der vom Marketing durchgeplanten Kopfgeburt.

Kritik am Innenraum: keine Ablagen, den Sitzen fehlt Seitenhalt

Toyota Auris 1.6 Executive
Kein Edelmetall, nur Kunststoff: solide Materialien, gut ablesbare Anzeigen. Unpraktisch: Handbremshebel, keine Ablagen.
Schlimmer als die unauffällige, mutlose Karosserieform mutet der Innenraum an. Toyota konstruierte das Interieur am Massen-Geschmack vorbei und verlor dabei auch noch die Praktikabilität aus den Augen. Mag ja witzig sein, dass die Mittelkonsole mit ein bisschen Fantasie aussieht wie eine "schräge Knackwurst" oder ein "Knochen" – de facto taugt sie nichts. Völlig unergonomisch liegt im überdesignten Spannungsbogen zwischen Armaturenbrett und Tunnel die Handbremse in der Hand – wie ein Telefonhörer, nur auf einer abnormen Höhe. Außerdem fehlen praktische Ablagen. Handy, Türschlüssel – wohin mit dem Kram? Nur Flaschen finden einen Halter. Nach anfänglichem Goldrausch verblasst der Toyota langsam. Den Sitzen fehlt auf langen Strecken Unterstützung in den Schultern, selbst der in der Stadt säuselnde 1,6-Liter-Benziner schafft es auf der Autobahn zum Ohrwurm.

Durchschnittlicher Testverbrauch: fast zehn Liter

Toyota Auris 1.6 Executive
Kein Kostverächter: Wer es eilig hat, pumpt auf 100 km rund zehn Liter Super durch die Einspritzdüsen.
Tempo 140, 4800 Touren und keine Schaltempfehlung mehr im Display. Wie auch? Er hat ja nur fünf Gänge, einer zu wenig. Die Folge: Der Lärmpegel klettert stetig und mit ihm der Spritverbrauch, der Auris entwickelt sich zum Trinker. Wieder Autsch! Fast zehn Liter im Schnitt soff der Japan-Golf im Alltag. Das klingt fast nach einem Sucht-Problem. Eins, das zugegebenermaßen nicht Toyota, sondern eher den ewig von Zeitnot gescheuchten Redakteuren zuzuschreiben ist. Da klebt das Gaspedal schon mal am Anschlag. Auf der genormten Testrunde normalisiert sich das Ganze. 7,5 Liter reichen – und kommen dem Werksverbrauch (7,1) nahe. Völlig fern lag der Gedanke, dass beim Zerlegen noch etwas Fieses zutage kommen könnte.

Was ist das? 18-mal Rost am Auris

Außer den kaputten Xenonscheinwerfern und dem hakeligen Schaltgetriebe ab der zweiten Lebenshälfte lief es doch alles rosig für den Auris. Achtung, Korrektur, es muss heißen: ... lief doch alles rostig. Diesmal nagte die Korrosion an der Schaltübertragung. Der Casus Knacktus: eine verfehlte Sparpolitik. Toyota verzichtet bei den Benzinern auf die untere Motorabdeckung. Weshalb sich der Auris am Ende mit gefährlichem Schmutz befleckte. Es ist eben nicht mehr alles Gold, was glänzt – auch nicht bei Toyota. Den ersten Eindruck gewinnt die Dauertest-Crew bei der Schlussuntersuchung immer nach gleichem Muster: Auto auf die Hebebühne, untere Motorabdeckung abnehmen und einen scharfen Blick in die Ecken werfen. Sind Motor und Getriebe trocken, Abgasanlage okay, Unterboden beschädigt?

Beim Korrosionsschutz hat Toyota sichtbar gespart

Beim Auris staunen wir: Es gibt gar keine Abdeckung. Der Benziner hat keine untere Verkleidung, nur der Diesel – aus Schallschutzgründen. Aha. Damit hat Toyota leider am falschen Ende gespart, denn ohne Abdeckung wird Schmutz und Feuchtigkeit ungebremst in den Motorraum des Auris gewirbelt. Die Folgen davon sind nach 100.000 Kilometern deutlich sichtbar. Der Motorraum ist stark verschmutzt. Einige Teile sehen aus, als stammten sie von einem wesentlich älteren Auto. Diverse Bauteile (Achsträger, Querlenker, Lagerböcke, Halterungen) weisen rötliche Spuren auf: Korrosion. Allein dieses böse Wort taucht in der Dokumentation des Sachverständigen 18-mal auf. Ein trauriges Ergebnis für einen Toyota, auch wenn in den meisten Punkten entschärft vom Zusatz "keine Durchrostungsgefahr".

Abkehr von der bisherigen Toyota-Qualität

Eine direkte Folge der Korrosion haben wir im Testbetrieb schon spüren können. Der Schaltkomfort wurde immer schlechter, zuletzt konnte der fünfte Gang nur noch mit Nachdruck eingelegt werden. Kein Wunder beim schlechten Zustand der Schaltübertragung. Für die Konservierung der Hohlräume gibt es ebenfalls keine Pluspunkte, denn wir finden bei der endoskopischen Untersuchung leichte Spuren der braunen Pest im Bereich von geschweißten Verbindungen und an Schnittkanten von überlappenden Blechen. An diesen Stellen wird der Auris so schnell zwar nicht durchrosten, aber Korrosion an einem jungen Auto ist sicherlich nicht die Qualität, die dem Anspruch von Toyota genügt. Da tritt das gute Schlussergebnis der übrigen Baugruppen (Motor/Getriebe/Kupplung/Bremsen/Lenkung) fast in den Hintergrund.

Das sagt Toyota ...

... zur Korrosion am Auris: Wir haben uns des Themas Korrosion beim Auris angenommen. Von Kundenseite sind bislang keine Beanstandungen, verursacht durch Oberflächen- oder Kantenkorrosion, bekannt geworden. Es gibt hierzu keinerlei negative Rückmeldungen oder Beschwerden aus dem Feld. Soweit zu diesem Zeitpunkt ersichtlich, hat die Korrosion keinen Einfluss auf die Funktion des Fahrzeugs und seine Bauteile. Trotzdem werden wir die betroffenen Teile gemeinsam mit unserem Mutterhaus intensiv untersuchen.
... zum Ausfall der Xenon-Brenner: Die Gasentladungslampe wurde produktionsseitig verbessert. Um das Problem zu beheben, wurde die Arbeitsspannung reduziert. Hieraus ergeben sich geringere Spannungsschwankungen und somit eine bessere Zündfähigkeit.
... zum Hitzeschutzblech: Auch das Auftreten dieses Problems wurde erkannt und wird durch eine Änderung des verwendeten Materials und eine Erhöhung der Materialstärke verhindert. (Diese Änderung ist im Frühjahr 2008 in die Produktion eingeflossen.)

Das sagen die Leser

"Zuverlässig, aber laut und empfindlich": Positiv: leichtgängige Schaltung, Verbrauch im Schnitt bei 7,5 Litern, sehr zuverlässig. Negativ: Über 130 km/h wird es laut, Motor im unteren Drehzahlbereich zu schlapp, wenn man sich an die Schaltanzeige hält, Lack sehr empfindlich, Bremsen quietschen. Manfred Rößler, 89223 Neu-Ulm, Toyota Auris 1.6.
"Prima Klima im Auris": Die Zweizonen-Klimaautomatik in meinem Auris erstaunt mich immer wieder. Nahezu frei von störender Zugluft schafft sie auch bei großer Hitze ein stabiles Wohlfühlklima im Auto. Insgesamt bin ich mit dem Fahrzeug sehr zufrieden. Norbert Müller, per E-Mail, Toyota Auris 1.6.

Fazit

von

Margret Hucko
Das ist halt so: Wenn jemand immer nur Einsen schreibt und dann plötzlich mit einer Zwei minus nach Hause kommt, ist das Ergebnis für alle enttäuschend. Es liegt weit unter dem persönlichen Schnitt, wenn auch gesamt gesehen über dem des Klassenspiegels. Einige Probleme, die bei unserem Dauertest aufgetreten sind, hat Toyota bereits behoben. Der überarbeitete Benziner verbraucht weniger Sprit, es gibt einen sechsten Gang, und auch die Xenonscheinwerfer werden überarbeitet. Was weiterhin fehlt, ist eine untere Motorenabdeckung. Damit bleibt das Risiko von Rost an elementaren Teilen. Nächstes Jahr erhält der Auris ein Facelift – hoffentlich nicht nur oberflächlich.

Von

Margret Hucko
Manfred Klangwald