Manchmal wird die AUTO BILD-Tiefgarage zum Geschmackslabor. Wenn abends Dutzende von Verlagskollegen durch den Fuhrpark strömen, kurz den silbernen BMW Z4 bewundern oder den roten Audi A5. Aber nur an Modellen, die für den persönlichen Bedarf und das eigene Portemonnaie wirklich infrage kommen, drücken sie sich die Nase platt. So einer ist der Nissan Qashqai. Sofort nach Beginn des Dauertests im Oktober 2007 erhielt er den Ritterschlag der Massentauglichkeit: Ob Drucker kurz vor der Rente, Jungredakteur oder Chefsekretärin – der Japan-Tiguan eroberte sich schnell eine breite Fangemeinde. Und das trotz seines zungenbrecherischen Namens: Qashqai (sprich "Käschkai") sind eigentlich persische Nomaden. Was haben die mit einem kompakten Allradler zu tun? Nichts, seien trotzdem gnädig mit diesem Marketing-Unsinn.

Überblick: Alle News und alle Tests über Nissan

Nissan Qashqai
Die hohe Sitzposition (Sitzhöhe 65 Zentimeter) und das übersichtliche Cockpit wurden oft gelobt.
Wichtiger als die Offroad-Qualität ist ohnehin seine Alltagstauglichkeit. Und da punktet er: Besonders frischgebackene Väter zeigen starkes Interesse am Nissan, womit der Familiensinn beweist, ohne gleich in die langweilige Zweckform eines Vans abzudriften. Ein sympathischer Typ also, dieser Qashqai. Innen sitzt man gemütlich wie in einem Golf, nur höher und mit guter Übersicht nach vorn. Nach hinten ist der Blick verbaut, aber das ist für die Kunden kein Hindernis: Seit Erscheinen im Jahr 2006 wurde der Trendtyp rund 44.000-mal in Deutschland gekauft und ist damit der beliebteste Nissan zwischen Flensburg und Garmisch. Japans Nummer drei hatte einst den Ruf, mit Modellen wie dem Sunny und Laurel sehr robuste Autos zu bauen. Aber erstens ist das lange her, und zweitens läuft der Qashqai in England vom Band. Kann unser 2.0 Tekna trotzdem an die Japan-Qualität früherer Jahre anknüpfen?

Zahlreiche Warntöne nerven im Quashqai

Nissan Qashqai
Ein ausgemachter Kurven-Künstler ist der Qashqai mit hohem Schwerpunkt nicht – aber ein guter Allrounder.
Im Fahrtenbuch gibt es zunächst reichlich Lob für den leisen Zweiliter-Benziner, den vier von zehn Käufern wählen. Auch den Verbrauch zwischen neun und zehn Litern fanden die meisten Fahrer okay. Denn der Nissan läuft auf der Autobahn immerhin fast 200 km/h – und davon machten viele eilige Dienstreisende gern Gebrauch. Lob gab es auch für gute Materialanmutung, bequeme Sitze und simple Bedienung. "Hoher Einstieg und komfortables Fahrwerk sind super – ein idealer Reisewagen", findet Vielfahrer Diether Rodatz. Mit dieser Einschätzung steht er nicht allein. Noch mehr Einigkeit herrscht aber beim größten Schwachpunkt des Qashqai: dem Warnton-Wahnsinn bei jedem noch so nichtigen Anlass. Noch nie hat ein Testwagen unsere Ohren so terrorisiert. "Das Gepiepe nervt, nervt, nervt", schrieb AUTO BILD-Chefredakteur Bernd Wieland ins Fahrtenbuch. Für Service-Redakteur Roland Bunke ist die permanente Piepserei sogar ein Grund, den Qashqai nicht zu kaufen, obwohl er ihn ansonsten als "ideal für Stadt und Land" preist.

Einige Schönheitsfehler

Nur wer den Starterknauf mit Entriegelungstaste richtig bedient, wird halbwegs von den akustischen Angriffen verschont. Aber selbsterklärend ist das schlüssellose System eben nicht. Nee, ihr Nissan-Entwickler – das sollte geändert werden. Dringend! Gleiches gilt für die Heckklappe, denn die öffnet nur bis 1,76 Meter Höhe und verteilt Kopfnüsse. "Ein Unding", flucht Fotograf Martin Meiners. "Deckel und Schließzapfen haben mir mehrfach einen an die Birne gegeben." Na ja, der Mann ist 1,96 Meter groß. Insgesamt summieren sich die Logbucheinträge nur zu einer kurzen Tadelliste: schwache Sitzheizung, Windgeräusche bei hohem Tempo, schwer erreichbare Isofix-Ösen und ungünstig platzierter Öleinfüllstutzen. Das alles fällt in die Kategorie Schönheitsfehler, mit denen man leben kann und die nichts mit der Dauerhaltbarkeit des Nissan zu tun haben.

Im Kern ist der Qashqai ein solides Auto

Nissan Qashqai Türgriff
Weil die Kappe am Türgriff der Fahrertür mehrfach abfiel, wurde der ganze Griff ersetzt.
Bei der Haltbarkeit leistet sich der Qashqai kaum Schwächen, erreicht aber auch nicht die legendäre Robustheit früherer Japan-Modelle – ein Durchschnittstyp. Dass dieser Nissan im Grunde ein solides Auto ist, bewies unter anderem das in der Tekna-Ausstattung serienmäßige und von vielen geschätzte Panoramaglasdach. Bis zum Schluss hielt es knisterfrei durch und dicht – keine Selbstverständlichkeit, wie wir von anderen Dauerläufern wissen. Dafür verlor der Test-Qashqai gleich mehrfach die Abdeckkappe vom Fahrertür-Schloss. Erstmals bei Kilometerstand 47.654, dann noch dreimal, bis bei 79.846 Kilometer der gesamte Griff erneuert wurde.

Mit der Abschlussnote 3+ liegt der Nissan Qashqai im vorderen Mittelfeld

Nissan Qashqai
Der quer eingebaute Zweiliter-Benziner treibt die Vorderräder an. Bei Bedarf ist die Hinterachse zuschaltbar.
Beim gleichen Werkstattstopp bekam der Qashqai auch zwei neue Stoßdämpfer hinten. Links zeigte das ausgeschlagene Befestigungsauge zu viel Spiel. Gut 10.000 Kilometer später schwächelte die vordere Bremse. Grund: Die innere Manschette des rechten Bremssattels war undicht. Eigentlich nicht so schlimm, trotzdem gab es unerwartete Ersatzteilprobleme, sodass die Werkstatt den Qashqai kurzzeitig stilllegen wollte. Zum Glück blieb ihm das erspart: Nach 24 Stunden war er mit neuem Bremssattel und zwei frischen Scheiben wieder auf der Straße. Keine Tragödien. Keine Heldentaten. Das Repertoire des Qashqai ist undramatisch, und so wird er weiter seine beliebte Rolle spielen. Mehr noch: Seit Jahresbeginn schickt Nissan den Qashqai +2 mit sieben Sitzen auf die Bühne. Der Applaus geht weiter.

Super Messwerte, aber Gammel im Detail

Nissan Qashqai
Die Demontage nach 100.000 km bringt jeden Mangel ans Tageslicht. Im Falle des Qashqai auch Rost.
Vor der Demontage gab es für den Qashqai wie für alle Dauertester bei AUTO BILD noch einmal den allgemeinen Fitness-Check. Dazu gehören die Beschleunigungs- und Bremsversuche auf der Messstrecke ebenso wie Prüfstandsläufe zur Leistungs- und Abgasmessung. Bei all diesen Tests konnte der Nissan überzeugen. Er schaffte den Sprint von null bis 100 km/h in 9,7 Sekunden – schneller, als die Herstellerangabe versprach (10,6 Sekunden). Die Bremsen packten immer noch mit voller Kraft zu, brachten den SUV auf weniger als 37 Metern aus Tempo 100 zum Stillstand. Ebenso überzeugend fallen die Prüfstandsergebnisse aus. 104,3 kW (141,8 PS) bescheinigen die Techniker vom DEKRA Technology Center in Klettwitz dem Kandidaten, und damit ziemlich genau die Werksangabe. Auch bei der Verbrauchsmessung nach ECE keine nennenswerte Abweichung. Fazit vor der Demontage: Der Kandidat ist nach 100.000 Kilometern in guter Form.

Rost an Achsträger und Blechhaltern

Das positive Bild trübt sich, als der Blick des DEKRA-Sachverständigen Günther Schiele mehrfach auf beginnende oder auch schon stärker ausgeprägte Korrosion an diversen elektrischen Anschlüssen hängen bleibt, er unzureichenden Oberflächenschutz an Achsbauteilen und Blechhaltern notiert. Auch ein weitgehend verschlissener Lenkstangenkopf und der mit Laufgeräuschen auffallende Klimakompressor bringen Minuspunkte im Protokoll. Versöhnlich stimmt das Ergebnis der Motoruntersuchung. Nach der Vermessung von Kolben und Zylindern bescheinigt der Sachverständige allen Bauteilen eine Maßhaltigkeit innerhalb der Grenzwerte des Herstellers. Ein Resultat, das die schon erwähnten guten Messergebnisse vor der Demontage bestätigt. Ebenso positiv ist das Ergebnis der endoskopischen Hohlraumuntersuchung. Im Gegensatz zum auffälligen Korrosionsansatz an äußeren Bauteilen ist der Nissan an den unzugänglichen Stellen sehr gut geschützt. Egal ob überlappende Bleche in den Schwellern oder Längsträgern, Kanten und Ecken in den Türen oder der Heckklappe – das Endoskop kann nirgendwo Pfusch am (Karosserie-) Bau entlarven. Hätte sich Nissan beim Oberflächenschutz genauso viel Mühe gegeben, stünde der Qashqai auch am Testende glänzend da.

Hersteller-Reaktionen: Das sagt Nissan ...

... zu den hinteren Stoßdämpfern: Interne Analysen bei einem Zulieferer haben einen unzureichenden Vulkanisierungsprozess identifiziert. Dieser Prozess wurde zwischenzeitlich optimiert, die neuen Dämpfer wurden in die Neufahrzeugproduktion übernommen.
... zur Korrosion am Unterbau: Kundenreklamationen über Korrosion im Bereich der Vorderachse liegen uns nicht vor. Wir gehen hier von einem Einzelfall aus.
... zum rostigen Batteriehalter: Auch hier gehen wir von einem Einzelfall aus. Trotzdem wurden unsere Ingenieure darüber informiert.

Das sagen die Leser

"Starker Motor, aber schwache Heizung." Positiv an meinem Qashqai: durchzugsstarker Motor, reichliche Grundausstattung, gutes Raumgefühl, knackige Schaltung. Negativ: Wärme gibt es erst nach 20 Minuten, Defrosten so gut wie unwirksam. Oliver Füllggraf, 58553 Halver, Nissan Qashqai 2.0 dCi 4WD Acenta.
"Fast ohne Probleme." Bisher gab es nur einmal notwendige Reparaturen. Die Gummiaufhängungen der hinteren Stoßdämpfer waren ausgeschlagen. Sonst kann ich nur Positives berichten. Allerdings könnte der Benziner mit CVT-Getriebe etwas mehr Leistung vertragen. Klaus Sonnenberg, 29313 Hambühren, Nissan Qashqai 2.0 4WD CVT Acenta.
"Zu viele Pieper." Meine Erfahrungen zu diesem Auto: ausreichende Platzverhältnisse, gutes Navi und Heckkamera, leiser Motor, Verbrauch bei zügiger Fahrweise 10,2 l. Störend: zu viele Warn-(Piep-)Geräusche, Windgeräusche ab 130 km/h, kein optimales Keyless Go. Rainer Müller, 12305 Berlin, Nissan Qashqai 2.0 Tekna Automatik
"Reichlich Defekte." Leider ist mein Qashqai keinesfalls fehlerfrei. Hier nur einige Beispiele: klappernde Heckklappe, knarzende Beifahrertür, knarzender Fahrersitz, Rückruf Lenkgetriebe und Benzintank, abgeschleppt wegen Geräuschen von der Lenkung, Poltern von der Hinterachse, Sprittropfen unterm Auto ... Peter Quester, per E-Mail.

Fazit

Es war still geworden um Nissan. Keine Bestseller, graue Mäuse namens Primera und Tiida, dazu Exoten wie 370Z und GT-R. So gingen die Verkaufszahlen des japanischen Importeurs seit Jahren zurück. Zum Glück gibt es den Qashqai. Er war schneller auf dem Markt als der VW Tiguan, überzeugt mit Raumkonzept, Komfort, Fahreigenschaften und liefert nun im Dauertest eine ordentliche Vorstellung ab. Für einen Spitzenplatz reicht es zwar nicht, aber mit einer 3+ liegt er gleichauf mit dem Audi A6 Avant in unserer Zuverlässigkeits-Hitliste. Das ist doch was! Dieser clevere Kompakt-SUV fährt auf der Überholspur. Auch bei der Modellpflege dreht Nissan an den richtigen Schrauben. So gibt es den Qashqai nicht nur als 4x4- Modell, sondern auch als günstigeren Fronttriebler und gestreckten Siebensitzer. Das ist der richtige Weg.

Von

Manfred Klangwald