Michael Hartmann muss lächeln. "Neuwagen? So was habe ich noch nie gehabt", sagt er. "Junge Gebrauchte sind doch genauso gut, nur viel günstiger." Hartmann ist Prokurist bei "Dat Autohus", einem Autohaus, das fast ausschließlich mit Leasing-Rückläufern handelt. Das sind Wagen, die zwei bis vier Jahre alt sind und in der Regel zwischen 60.000 und 120.000 Kilometern auf der Uhr haben. 1800 Exemplare parken in Bockel an der A1 zwischen Bremen und Hamburg. Zwei Reihen Ford Focus, dahinter drei Reihen Opel Vectra, 140 VW Passat, 130 Audi A4, Mercedes C-Klassen, 3er-BMW. Die Karossen stehen in Reih und Glied wie Konserven bei Aldi. Mit den Preisen verhält es sich ähnlich – günstig wie beim Discounter.

Gefragt: Autos bis 15.000 Euro

Audi A6, BMW 520i, Mercedes E200
Bei Fahrzeugen der gehobenen Mittelklasse gibt es wegen der Wirtschaftskrise einen starken Preisverfall.
Die Wirtschaftskrise: An den Preisschildern in Bockel bekommt die ein Gesicht. Große Autos, die einst unerreichbar schienen, sind auf einmal bezahlbar. "Besonders in der oberen Mittelklasse gibt es einen starken Preisverfall", sagt Hartmann. E-Klasse, 5er, A6 – viele Preise purzeln wöchentlich. Die "Autohus"-Einkäufer registrieren das seit ein paar Monaten, reagierten früh auf den sich wandelnden Markt: "Gefragt sind Autos bis 15.000 Euro", so Hartmann, "Golf und Passat gehen immer, bei Sechszylindern mit Vollausstattung wird es aber schwierig." Und so niedrig wie derzeit war das Preisniveau zuletzt vor der Wiedervereinigung.

Starker Preisverfall in der oberen Mittelklasse

Unser Testwagen: Mercedes-Benz E 200 Kompressor T, Ausstattung Classic, Farbe Schwarz, die Sitze sind mit grauem Stoff bezogen. Als Sonderausstattung wählte der Erstbesitzer einen Multikontursitz sowie Sitzheizung vorn. Und so hat dieser Kombi alles an Bord, was nötig ist: CD-Radio, Dachreling, Klimaanlage, Aluräder.
Unser Urteil: Nach dreieinhalb Jahren und knapp 87.000 Kilometern auf der Uhr steht der Benz noch sehr gut da, lediglich ein paar kleine Kratzer sollten wegpoliert oder per Smartrepair beseitigt werden. Ach ja: Der Vorderreifen links hat zu wenig Luft. Ersatz im Format 225/55 R 16 kostet inklusive Montage 160 Euro – aber vielleicht hilft ja auch nur Aufpumpen.

Top: E-Klasse für 15.850 Euro

Unser Tipp: E-Klasse-Fahrer ordern gern Automatikgetriebe. Diese hier hat eine Sechsgang-Handschaltung. Wir meinen: Zum 1,8 Liter großen Kompressormotor passt sie sehr gut. Typische Schwachstellen des W 211 sind zu viel Spiel in der Lenkung und ausgeschlagene Radaufhängungen vorn und hinten.
Fazit: Leder, Navi, Automatikgetriebe – für viele Käufer einer E-Klasse ist das unverzichtbar. Diese hier hat all das nicht an Bord, ist aber dennoch eine Empfehlung. Das liegt vor allem am Preis. Im Mai 2005 hat das Auto mal 40.269 Euro gekostet, jetzt ist es für 15.850 Euro zu haben. Macht einen Preisverfall von 61 Prozent. Schlecht für die Leasing, gut für den Käufer.

Beliebter Dienstwagen: Opel Vectra Caravan

Opel Vectra Caravan
Der Opel Vectra Caravan ist ein Super-Schnäppchen: Baujahr 11/2005, 82.000 km gelaufen, scheckheftgepflegt, 9450 Euro.
Unser Testwagen: Opel Vectra Caravan mit der 1.9-CDTI-Maschine und 150 PS, leider aber auch mit der kräfteraubenden Sechsstufen-Automatik. Den silbernen Lack kombinierte der Erstbesitzer mit dunklem Stoffbezug im Interieur. Der letzte Service war im März 2008 bei Kilometerstand 79.994, jetzt stehen 82.121 Kilometer auf der Uhr.
Unser Urteil: Nach nur drei Jahren hat der Vectra 69 Prozent an Wert verloren – Wahnsinn! 30.285 Euro lautete der Listenpreis, jetzt ist der Kombi für 9450 Euro zu haben. Da stört es auch nur am Rande, dass er auf Winterreifen steht, von denen die hinteren nur noch fünf Millimeter Profil haben. Dass er vorn links einen mittelschweren Parkrempler hatte, der Stoßfänger zerkratzt ist und der Kotflügel um einen halben Zentimeter hochgedrückt wurde. Ein guter Schrauber kriegt das hin.

Der Opel Vectra wird weit unter Wert verkauft

Unser Tipp: Zu großes Lenkungsspiel und marode Auspuffanlagen sind die Probleme des Vectra schon beim ersten TÜV-Besuch. Den 100.000-km-Dauertest von AUTO BILD absolvierte der Opel aber problemlos.
Fazit: Oh, oh, Opel. Schon zu Lebzeiten wurde der Vectra weit unter Wert verkauft – als Neuwagen. Das setzt sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt fort. 9450 Euro soll dieser Wagen kosten, die Schwacke-Liste taxiert den Verkaufswert auf 14.700 Euro. Da gibt es nur eins: Kaufen, auch wenn die lahme Automatik und die Kratzer vorn das Gesamtbild ein wenig stören.

Der kompakte Edel-Laster: Audi A4 Avant

Audi A4 Avant B7
2005 kostete der Audi A4 Avant 1.9 TDI 30.230 Euro – drei Jahre später ist er für 12.750 Euro zu haben.
Unser Testwagen: Audi A4 Avant in Brillantschwarz mit 115-PS-TDI-Motor, innen mit dunklen Stoffbezügen. Das Radio mit kleinem Navi-Display fehlt im Testwagen, wurde vorsichtshalber ausgebaut – Langfingeralarm! Der Audi steht auf Winterreifen mit acht Millimeter Profil, hat knapp 117.000 Kilometer runter, der letzte Service war bei 113.063 km.
Unser Urteil: Die Farbkombination stimmt, der Wagen macht rundherum einen gepflegten Eindruck. Das Einzige, was hier fehlt, ist saubere Luft: Erst 2006 wurden die Dieselmotoren des Modells B7 serienmäßig mit einem Partikelfilter ausgerüstet, dieses Modell hat noch keinen.

Gar nicht premium: verschlissene Kupplungen und defekte Turbolader

Unser Tipp: Beim TÜV ist der A4 jüngerer Baujahre prima in Form. Allerdings sollten Interessenten des Audi mit TDI-Motor Folgendes wissen: Unbedingt den Wechselzeitpunkt für den Zahnriemen beachten, sonst droht ein kapitaler Motorplatzer. Im AUTO BILD-Kummerkasten sind defekte Turbolader bekannt, Ersatz kostet etwa 1400 Euro. Verschlissene Kupplungen sind bei den TDI ebenfalls aktenkundig.
Fazit: Bei Audi ist das Sparpotenzial nicht ganz so hoch wie etwa bei Opel. Neupreis 30.230 Euro, gebraucht kostet er 12.750 Euro – das ergibt aber immer noch eine Ersparnis von 58 Prozent. Übrigens: Vor 117.000 Kilometern Laufleistung sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn bei regelmäßiger Wartung in der Fachwerkstatt ist das ein Klacks.

Fazit von AUTO BILD-Gebrauchtwagenexperte Andreas May

40.000 Euro für eine E-Klasse, für Otto Normalfahrer ist das utopisch. Es sei denn, er kann warten. Als Leasing-Rückläufer gibt es den Nobel-Benz derzeit zum Polo-Preis. Somit hat die Krise auch ihre angenehmen Seiten: Schnäppchenjäger sollten jetzt zuschlagen, denn billiger waren Spitzengebrauchte seit Jahren nicht. Dass diese Ex-Dienstwagen um die 100.000 Kilometer runterhaben – kein Problem. Denn sie waren regelmäßig in der Werkstatt. Dass die Polster vielleicht nach Zigaretten müffeln, was soll's? Gute Aufbereiter kriegen das raus. Dass die Karosserie hier und da zerkratzt ist – halb so wild! Der Lackdoktor macht das für kleines Geld wieder schön. Secondhand-Käufer haben jetzt die freie Wahl – und sparen wie nie.