Ein BMW namens Garmisch? Bei diesem Auto dürften selbst Kenner die Stirn runzeln. Zu lange her, zu unbekannt. Auch deshalb, weil die Studie von 1970 verschollen ist. Dabei ist der Garmisch ein wichtiger BMW: Er ist der Urvater des ersten 5er mit zierlichen Säulen, viel Glas, einem sanft abfallendem Heck, schon mit der aufragenden Niere und Hofmeisterknick. Jetzt holen die Münchner ihn symbolisch zurück. Zum Concorso d’Eleganza in Villa d'Este 2019 ließ BMW das Einzelstück nachbauen.

Originalgetreu aus Blech

BMW baut den Ur-5er
Auf der Beifahrerseite klappt aus dem Handschuhfach ein Spiegel im Format eines Tablets heraus.
Tock, tock, tock. Der Klopftest mit dem Fingerknöchel zeigt, dass der neue Garmisch aus Blech handgedengelt wurde. Nicht aus Glasfaser laminiert wie heutige Showcars, sondern aufwendig und originalgetreu. Da sind die Scheiben aus echtem Glas, das Leder auf den Sitzen im gleichen zeitgenössischen Creme-Braun-Mix wie "echten" Garmisch. Viele Bilder vom Originalauto gibt es nicht mehr. Deshalb hat BMW Mitte 2018 extra den Designer von damals aufgesucht. Marcello Gandini, Gestalter des Lamborghini Miura, Alfa Romeo Montreal und Maserati Quattroporte, hatte 1970 einen Zweisitzer gezeichnet, so wie er den BMW von morgen sah: sportlich, dynamisch und elegant.

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Die Technik stammt aus dem 2002 ti

Für die Neuauflage der Studie gab Designer Gardini am 1:1-Modell Hinweise auf die Originalform des Hecks und die Heckjalousie im Stil der End-60er. Das Ergebnis scheint heute meilenweit entfernt vom aktuellen BMW-Design. Am Garmisch spannt sich die Haube faltenfrei über den Vierzylinder, die Flanken kommen ohne jede Drama-Sicke aus. Die Niere ist aus massivem Messing gefräst und verchromt, die Scheibenwischerachsen ragen hoch aus dem Blech, was beim heutigen Fußgängerschutz unmöglich wäre. Unter dem Garmisch steckt damals wie heute die Technik des 2002 ti, der mit zwei Doppelvergasern 120 PS leistete. Radio und Heizungsregler stehen senkrecht zwischen dem geschüsselten Lenkrad und dem Schalthebel. Rechts vor dem Beifahrer klappt aus dem Handschuhfach ein Spiegel im Format eines Tablets heraus – sicher kein Hinweis auf ein neues Bedienkonzept, da liegen heutige BMW weit vorne. Nur der Klang des Motors im nachgebauten Garmisch wird unerreicht bleiben: Zündschlüssel umdrehen, dann erwacht leicht hustend, rau und pur ein Sportler, der mit seinen ungefilterten, dreckigen Abgasen heute keine Chance mehr hätte, auf die Straße zu kommen.

Oldtimer als Inspiration für die Zukunft

Doch was soll ein Garmisch in Villa d'Este? Der neue Z4 oder der 8er – alle erlebten am Comer See ihr Coming-out. "Die Studie zeigt ein reduziertes, klares und sportliches Design, das heute noch aktuell ist", sagt Stefanie Taube, Pressesprecherin fürs Design. Reduziert und glattflächig – das kann BMW gebrauchen, nachdem die letzten Serienautos vor allem mit verschnörkelten, ornamentalen Oberflächen auffielen. Hier eine Sicke, dort eine Wölbung – das kann nicht ewig so weitergehen. Das Design braucht für den Fortschritt einen Schritt zurück. Der i-Next, die Studie eines E-Autos von morgen, zeigt wieder Mut zur glatten Flanke. Und eine ähnlich hohe, stolze Niere wie der Garmisch.

Von

Joachim Staat