"Rover!" Der Verkaufsleiter eines großen norddeutschen Mehrmarkenhändlers winkt ab. "Autos von Rover dürfen meine Mitarbeiter gar nicht mehr in Zahlung nehmen." Grund? Die große Angst vor der Standuhr auf vier Rädern. Das sind Autos, die sich auf den Gebrauchtwagenhöfen die Reifen platt stehen. Weil sie nur schwer, sehr schwer zu vermitteln sind. Und deshalb gilt für diesen Händler das Motto: "It’s all over for Rover!" Schnelldreher und Standuhren. Es geht um das lukrative und das miese Geschäft mit Gebrauchtwagen. Und um eine große Sorge der Händler: Bewahrt uns vor Autos, die wir nicht verkaufen können! In der Regel sind das solche, die schon als Neuwagen einen schweren Stand hatten.

Gebrauchte Exoten sind sehr günstig zu haben

Renault Vel Satis
Als Neuwagen ein Mauerblümchen, als Gebrauchter ein Schnäppchen: der Renault Vel Satis.
Große Franzosen wie der Renault Vel Satis und der Peugeot 607 oder Exoten wie der Geländewagen SsangYong Rexton. "Kunden, die so etwas in Zahlung geben wollen, sage ich durch die Blume, dass sie den Verkauf erst mal privat versuchen sollen", verrät ein BMW-Händler aus Ostwestfalen. Gegen viele andere Standuhren kann er sich nicht wehren: Leasingrückläufer mit großem Dieselmotor. Und das ist das Überraschende: Plötzlich sind deutsche Premiumautos die Sorgenkinder! Für Gebrauchtwagen-Kunden heißt das: Hurra, Schnäppchen-Alarm! Ein Händler aus Berlin gibt zu: "Wegen der hohen Spritpreise sind viele extrem verunsichert, nehmen lieber kleinere Autos als große Diesel." Neulich habe sogar ein Kunde seinen Range Rover gegen einen Ford Fiesta eingetauscht.

Nach 90 Tagen auf dem Gebrauchtwagen-Hof gilt ein Auto als Standuhr

Die Sorgenkinder auf den Gebrauchtwagenhöfen – ein Hamburger VW-Händler rechnet vor: "Wenn ein Auto nach 90 Tagen verkauft ist, steht die schwarze Null. Vorher machen wir Gewinn, danach legen wir drauf." Deshalb wandern die Sorgenkinder dieses Händlers in die Auktion, werden versteigert an Wiederverkäufer. Etwa ein Audi A8 in rot oder Fahrzeuge mit hoher Kilometerleistung. Sein Kollege aus dem Mehrmarkenhaus geht einen anderen Weg: "Über den Preis verkaufen wir jedes Auto." Und so kommt es vor, dass Exoten wie der alte Kia Rio oder Luxuslimousinen à la VW Phaeton nicht nur alle vier Wochen einen neuen Standort haben, sondern auch ein neues Preisschild.
Aber es gibt auch die Lieblinge der Gebrauchtwagenhändler. Und die sind zurzeit vor allem eines: sparsam. "Polo geht immer", sagt ein Münchener Händler. Oder Opel Corsa, Ford Fiesta, BMW 1er mit kleiner Motorisierung. Der BMW-Händler aus Ostwestfalen muss bei solchen Autos nicht mal an der Preisschraube drehen: "Ein 116i mit wenig Kilometern oder ein gepflegter Mini mit kleinem Benzinmotor stehen höchstens vier Wochen." Andere Händler kaufen gebrauchte Kleinwagen im Polo- oder Corsa-Format aus der Werksflotte sogar auf. Wir verraten Ihnen, welche Autos gefragt sind – und bei welchen Sie Schnäppchen machen können.

DIE SCHNELLDREHER

VW Polo: heiß begehrt – trotz kleiner Schwächen

VW Polo IV
Ein gebrauchter VW Polo IV ist schnell verkauft. Zuverlässig, komfortabel, gut verarbeitet.
Was ist dieser Typ groß geworden: Der VW Polo hat das Format des $(LC53958:VW Golf II)$ aus den 80ern. Und auch im Innenraum wirkt der Polo, der seit 2001 in dieser Form gebaut wird, sehr erwachsen. Die Sitze sind bequem, das Fahrwerk ist klasse. Kein Wunder, dass gebrauchte Polo extrem gefragt sind. Aber der großzügige Kleine bereitet manchmal Probleme. Immer wieder klagen AUTO BILD-Leser im Kummerkasten über Störungen an der Elektrik – betroffen sind Fensterheber, Zentralverriegelung und Schiebedach. Der TÜV moniert bei den Drei- bis Fünfjährigen besonders oft die Einstellung des Abblendlichts.

Opel Corsa: richtig gut – und die Mängelliste ist kurz

Opel Corsa C
Die Qualität des Corsa C ist besser als die seiner Vorgänger, durchweg gute TÜV-Noten.
Aller guten Dinge sind drei. Stimmt schon: Corsa A und B waren Problemfälle in Sachen Qualität. Der Typ C (2000 bis 2006) ist dank besserer Verarbeitung fast perfekt. Und: Ein vollwertiges Auto ist dieser Kleine allemal. Auf längeren Fahrten haben vier Passagiere ausreichend Platz, der 75-PS-Benziner bietet ausreichend Leistung – er ist unsere Empfehlung. Dass Opels Qualitätsoffensive nach vielen Patzern der 90er-Jahre endlich Früchte trägt, bestätigt auch der TÜV. Lediglich die Gelenke der Antriebswellen und Korossion an der Auspuffanlage bereiten den Experten bei der zweiten TÜV-Prüfung Sorge.

BMW 1er: fährt richtig sportlich – und ist sparsam

BMW 1er
Der BMW 1er ist dank Heckantrieb sehr agil, bietet aber weniger Platz als ein Golf.
Am 1er scheiden sich die Geister. Die einen finden den Design-Durchhänger in der Seitenlinie geschmacklos. Die anderen schwärmen vom talentiertesten Sportler der Golf-Klasse. Fakt ist: Als Gebrauchter ist der kleine BMW beliebt. Und das, obwohl er bei weitem nicht so viel Platz bietet wie ein Golf. Der Kofferraum ist mit 330 Litern klein, die Rückbank nicht wirklich für Erwachsene geeignet. Hinzu kommt viel graues Plastik, das gar nicht zum hohen BMW-Anspruch passt. Spaß macht der 1er trotzdem. Das liegt am Heckantrieb, an der direkten Lenkung, am knackigen Fahrwerk. Da verzeihen dem 1er viele, dass er Super plus schluckt.

Mini made by BMW: den lieben alle

Mini
Der Mini eroberte ab 2001 die Herzen der Fans. Trotz rauhem Motor und lausiger Materialien.
Er hat einen antiquierten Chrysler-Motor, lausige Materialien im Innenraum – aber ein Gesicht, das die Herzen der Autofans im Sturm eroberte. Die erste Generation des Mini-Nacholgers von BMW (01-06) ist auch auf dem Gebrauchtmarkt gefragt. Dementsprechend hoch sind die Preise. Wir empfehlen den 115-PS-Motor im Mini Cooper, warnen aber vor hohem Verbrauch: 13 Liter sind bei sportlicher Fahrweise keine Seltenheit. Was sagt der TÜV? Die Prüfer bemängeln vor allem die Beleuchtung. Bei der zweiten Hauptuntersuchung patzt ein Viertel aller geprüften Mini in dieser Disziplin.

VW Golf: der Klassen-Primus

Wenn ein Auto nach fünfjähriger Bauzeit in Tests immer noch ganz weit vorn liegt, ist das erstaunlich. Es sei denn, das Auto heißt Golf. Die fünfte Generation des VW-Bestsellers ist ein Musterschüler, was Qualität und Zuverlässigkeit anbelangt. Nur nicht, wenn der Golf allzu viel Elektronik an Bord hat. Climatronic, Radio und Navi sorgen manchmal für Ärger, Abhilfe schafft hier ein Update per Computer. Unsere Motoren-Empfehlung ist der 1,6-Liter-Benziner mit 102 PS. Der legt zwar nicht so los wie die TDI-Feuerwehr, läuft aber sehr leise und kultiviert, ist genügsam und daher preiswert.

Fiesta: der kleine Sport-Ford

Ford Fiesta – oder Fiasko? Lang ist’s her. Das aktuelle Modell, seit 2002 gebaut, gilt als Sportler unter den Kleinwagen – und hat im Vergleich zum Vorgänger an Zuverlässigkeit zugelegt. Der kleine Kölner hat ein handliches, straff gefedertes Fahrwerk und bietet nicht nur vorn, sondern auch im Fond ausreichend Platz. Unsere Empfehlung ist der 80-PS-Benziner. So viel Kraft braucht es schon, um den 1075 Kilogramm schweren Fiesta angemessen zu bewegen. Im Vergleich zur Opel- und VW-Konkurrenz war der Fiesta schon als Neuwagen der Günstigste – als Gebrauchter ist er es auch.

DIE STANDUHREN

VW Touareg: Geländewagen mit VW-Bus-Motor

Preisfrage: Was haben der $(LC42265:VW Touareg R5 TDI)$ und der VW Bus T5 gemeinsam? Antwort: den Motor! Der Reihenfünfzylinder mit 174 PS arbeitet auch im Bulli. Im noblen Geländewagen macht er seinen Job ganz unaufgeregt – dennoch hat man nie das Gefühl, mit einem untermotorisierten Koloss unterwegs zu sein. Und der Preis? Neu, mit Metallic-Lack, Klimaautomatik und Navi, hat der Touareg 2004 knapp 45.000 Euro gekostet. Als vierjähriger Gebrauchter wird er plötzlich erreichbar. Gepflegte Exemplare werden unter 20.000 Euro gehandelt. Da stört nur die hohe Steuer-Einstufung, da der SUV als leichtes Nutzfahrzeug gilt.

Mercedes E-Klasse: Das Vertreterauto ist ein Kilometerfresser

Die E-Klasse von Mercedes – ihr Stammrevier ist die linke Spur. Wer sich für einen Gebrauchten interessiert, merkt das schnell. Günstige Typen mit 3,2-Liter-Reihensechszylinder-Diesel haben zwar meist alle Extras an Bord, aber oftmals auch 200.000 Langstrecken-Kilometer hinter sich. Oder mehr. Bei solchen Autos moniert der TÜV ausgeschlagene Vorderachsen, außerdem sind Ölverlust und Lenkungsspiel ein Thema. Und dann ist da noch das anfällige SBC-Bremssystem. Die Pannen-Bremse flog erst 2006 aus der E-Klasse. Beim Kauf also darauf achten, dass alle werksseitigen Nachbesserungen erledigt wurden.

Rover 75: Der Brite ist leider nur ein halber Bayer

Das Gute vorweg: Der Rover 75 (1999 bis 2005) ist ein Charaktertyp – das Karosserie-Design und die Gestaltung des Interieurs zeigen es. Und er ist als Gebrauchter auch noch äußerst günstig. Da stellt sich die Frage: Warum das denn? Jetzt kommt die schlechte Nachricht: Es liegt daran, dass sich BMW von seiner verlustreichen Tochter getrennt hat, Imageschaden und unklare Service-Zukunft inklusive. Hinzu kommt, dass die Rover-Werker nach der Scheidung sämtliche Qualitätsvorsätze über Bord warfen. Die Elektronik ist launenhaft, die Verarbeitung schlecht. Rover-Käufer sollten das Risiko lieben.

Renault Vel Satis: Luxus-Sänfte für Geizige

Ach, die Franzosen. In Deutschland haben sie einfach kein Glück mit großen Autos. Was nichts über die Qualität aussagt. Es fehlt einfach das Image. Renault, der "Créateur d’Automobiles", belegt das mit dem Vel Satis (seit 2002) eindrucksvoll. Die Luxus-Sänfte mit Dreiliter-Sechszylinder-Diesel kostete gute 50.000 Euro. Als fünfjähriger Gebrauchter wird der gallische Benz nun für weniger als 10.000 Euro verhökert. Dabei ist er als Fließheck-Modell mit großer Kofferraumklappe variabler als die Konkurrenz. In Sachen Verarbeitung und Qualitätsanmutung muss sich der Vel Satis auch nicht verstecken.

Peugeot 607: Löwen-König ganz günstig

Er ist im Jahr 2000 angetreten gegen BMW 5er, Audi A6 und Mercedes E-Klasse und hatte einen Partikelfilter an Bord, als die deutsche Konkurrenz dieses System noch als Humbug abtat. Dennoch ist der Peugeot 607 nie über ein Mauerblümchen-Dasein hinausgekommen. Schnäppchenjäger freut das, sie können den Löwen-König jetzt günstig erstehen. Gepflegte HDi-Modelle aus erster Hand mit 133-PS-Vierzylindermotor gibt’s schon ab 11.500 Euro. Meist sind die Autos gut ausgestattet, haben Klimaautomatik, elektrisch verstellbare Sitze, Aluräder und CD-Wechsler.

Audi A8: Besser reisen im Chef-Auto

Als Gerhard Schröder gerade Kanzler war, fuhr er im Audi A8 eine alte Dame von der "Wetten, dass ...?"-Bühne. Jetzt ist Schröder im Ruhestand und der große Ingolstädter eines der Sorgenkinder auf den Gebrauchtwagen-Plätzen. A8 mit großen Motoren, noch dazu in einer Farbe, die nicht gerade Schwarz oder Silber ist – ganz schön schwierig! Dabei ist der Dreiliter-Sechszylinder-TDI ein sparsamer Typ, und der seit 2002 gebaute Typ 4E bietet exzellente Qualität. Das bestätigt auch der TÜV, gibt in den Disziplinen Licht und Bremsen absolute Traumnoten.

Fazit von AUTO BILD-Redakteur Andreas May

Der Verstand sagt Kleinwagen, das Herz sehnt sich nach sechs Zylindern und Ledersitzen. Eisern sparen oder genüsslich fahren? Spätestens beim Gebrauchtwagenhändler können Sie auf Ihr Herz hören. Zwar sind Polo, Golf und Co auch hier immer eine gute Wahl. Aber fürs gleiche Geld gibt es Autos, die als Neuwagen unerreichbar waren. Der Luxus-Franzose Vel Satis ist so einer. Er zählt gebraucht zur Gattung Standuhr, fristet ein tristes Dasein auf den Höfen der Händler. Und ist deshalb ein Tipp für Schnäppchenjäger, die hier für kleines Geld den großen Luxus bekommen.