Tops und Flops der Gebrauchtwagen
Schnelldreher und Standuhren

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Für Gebrauchtwagenhändler gibt es gute und schlechte Autos: AUTO BILD verrät, was sich schnell verkaufen lässt – und was sich auf den Höfen die Reifen platt steht. Und welche Modelle echte Schnäppchen sind.
"Rover!" Der Verkaufsleiter eines großen norddeutschen Mehrmarkenhändlers winkt ab. "Autos von Rover dürfen meine Mitarbeiter gar nicht mehr in Zahlung nehmen." Grund? Die große Angst vor der Standuhr auf vier Rädern. Das sind Autos, die sich auf den Gebrauchtwagenhöfen die Reifen platt stehen. Weil sie nur schwer, sehr schwer zu vermitteln sind. Und deshalb gilt für diesen Händler das Motto: "It’s all over for Rover!" Schnelldreher und Standuhren. Es geht um das lukrative und das miese Geschäft mit Gebrauchtwagen. Und um eine große Sorge der Händler: Bewahrt uns vor Autos, die wir nicht verkaufen können! In der Regel sind das solche, die schon als Neuwagen einen schweren Stand hatten.
Gebrauchte Exoten sind sehr günstig zu haben

Nach 90 Tagen auf dem Gebrauchtwagen-Hof gilt ein Auto als Standuhr
Die Sorgenkinder auf den Gebrauchtwagenhöfen – ein Hamburger VW-Händler rechnet vor: "Wenn ein Auto nach 90 Tagen verkauft ist, steht die schwarze Null. Vorher machen wir Gewinn, danach legen wir drauf." Deshalb wandern die Sorgenkinder dieses Händlers in die Auktion, werden versteigert an Wiederverkäufer. Etwa ein Audi A8 in rot oder Fahrzeuge mit hoher Kilometerleistung. Sein Kollege aus dem Mehrmarkenhaus geht einen anderen Weg: "Über den Preis verkaufen wir jedes Auto." Und so kommt es vor, dass Exoten wie der alte Kia Rio oder Luxuslimousinen à la VW Phaeton nicht nur alle vier Wochen einen neuen Standort haben, sondern auch ein neues Preisschild.
Aber es gibt auch die Lieblinge der Gebrauchtwagenhändler. Und die sind zurzeit vor allem eines: sparsam. "Polo geht immer", sagt ein Münchener Händler. Oder Opel Corsa, Ford Fiesta, BMW 1er mit kleiner Motorisierung. Der BMW-Händler aus Ostwestfalen muss bei solchen Autos nicht mal an der Preisschraube drehen: "Ein 116i mit wenig Kilometern oder ein gepflegter Mini mit kleinem Benzinmotor stehen höchstens vier Wochen." Andere Händler kaufen gebrauchte Kleinwagen im Polo- oder Corsa-Format aus der Werksflotte sogar auf. Wir verraten Ihnen, welche Autos gefragt sind – und bei welchen Sie Schnäppchen machen können.
DIE SCHNELLDREHER
VW Polo: heiß begehrt – trotz kleiner Schwächen

Opel Corsa: richtig gut – und die Mängelliste ist kurz

BMW 1er: fährt richtig sportlich – und ist sparsam

Mini made by BMW: den lieben alle

VW Golf: der Klassen-Primus
Wenn ein Auto nach fünfjähriger Bauzeit in Tests immer noch ganz weit vorn liegt, ist das erstaunlich. Es sei denn, das Auto heißt Golf. Die fünfte Generation des VW-Bestsellers ist ein Musterschüler, was Qualität und Zuverlässigkeit anbelangt. Nur nicht, wenn der Golf allzu viel Elektronik an Bord hat. Climatronic, Radio und Navi sorgen manchmal für Ärger, Abhilfe schafft hier ein Update per Computer. Unsere Motoren-Empfehlung ist der 1,6-Liter-Benziner mit 102 PS. Der legt zwar nicht so los wie die TDI-Feuerwehr, läuft aber sehr leise und kultiviert, ist genügsam und daher preiswert.
Fiesta: der kleine Sport-Ford
Ford Fiesta – oder Fiasko? Lang ist’s her. Das aktuelle Modell, seit 2002 gebaut, gilt als Sportler unter den Kleinwagen – und hat im Vergleich zum Vorgänger an Zuverlässigkeit zugelegt. Der kleine Kölner hat ein handliches, straff gefedertes Fahrwerk und bietet nicht nur vorn, sondern auch im Fond ausreichend Platz. Unsere Empfehlung ist der 80-PS-Benziner. So viel Kraft braucht es schon, um den 1075 Kilogramm schweren Fiesta angemessen zu bewegen. Im Vergleich zur Opel- und VW-Konkurrenz war der Fiesta schon als Neuwagen der Günstigste – als Gebrauchter ist er es auch.
DIE STANDUHREN
VW Touareg: Geländewagen mit VW-Bus-Motor
Preisfrage: Was haben der $(LC42265:VW Touareg R5 TDI)$ und der VW Bus T5 gemeinsam? Antwort: den Motor! Der Reihenfünfzylinder mit 174 PS arbeitet auch im Bulli. Im noblen Geländewagen macht er seinen Job ganz unaufgeregt – dennoch hat man nie das Gefühl, mit einem untermotorisierten Koloss unterwegs zu sein. Und der Preis? Neu, mit Metallic-Lack, Klimaautomatik und Navi, hat der Touareg 2004 knapp 45.000 Euro gekostet. Als vierjähriger Gebrauchter wird er plötzlich erreichbar. Gepflegte Exemplare werden unter 20.000 Euro gehandelt. Da stört nur die hohe Steuer-Einstufung, da der SUV als leichtes Nutzfahrzeug gilt.
Mercedes E-Klasse: Das Vertreterauto ist ein Kilometerfresser
Die E-Klasse von Mercedes – ihr Stammrevier ist die linke Spur. Wer sich für einen Gebrauchten interessiert, merkt das schnell. Günstige Typen mit 3,2-Liter-Reihensechszylinder-Diesel haben zwar meist alle Extras an Bord, aber oftmals auch 200.000 Langstrecken-Kilometer hinter sich. Oder mehr. Bei solchen Autos moniert der TÜV ausgeschlagene Vorderachsen, außerdem sind Ölverlust und Lenkungsspiel ein Thema. Und dann ist da noch das anfällige SBC-Bremssystem. Die Pannen-Bremse flog erst 2006 aus der E-Klasse. Beim Kauf also darauf achten, dass alle werksseitigen Nachbesserungen erledigt wurden.
Rover 75: Der Brite ist leider nur ein halber Bayer
Das Gute vorweg: Der Rover 75 (1999 bis 2005) ist ein Charaktertyp – das Karosserie-Design und die Gestaltung des Interieurs zeigen es. Und er ist als Gebrauchter auch noch äußerst günstig. Da stellt sich die Frage: Warum das denn? Jetzt kommt die schlechte Nachricht: Es liegt daran, dass sich BMW von seiner verlustreichen Tochter getrennt hat, Imageschaden und unklare Service-Zukunft inklusive. Hinzu kommt, dass die Rover-Werker nach der Scheidung sämtliche Qualitätsvorsätze über Bord warfen. Die Elektronik ist launenhaft, die Verarbeitung schlecht. Rover-Käufer sollten das Risiko lieben.
Renault Vel Satis: Luxus-Sänfte für Geizige
Ach, die Franzosen. In Deutschland haben sie einfach kein Glück mit großen Autos. Was nichts über die Qualität aussagt. Es fehlt einfach das Image. Renault, der "Créateur d’Automobiles", belegt das mit dem Vel Satis (seit 2002) eindrucksvoll. Die Luxus-Sänfte mit Dreiliter-Sechszylinder-Diesel kostete gute 50.000 Euro. Als fünfjähriger Gebrauchter wird der gallische Benz nun für weniger als 10.000 Euro verhökert. Dabei ist er als Fließheck-Modell mit großer Kofferraumklappe variabler als die Konkurrenz. In Sachen Verarbeitung und Qualitätsanmutung muss sich der Vel Satis auch nicht verstecken.
Peugeot 607: Löwen-König ganz günstig
Er ist im Jahr 2000 angetreten gegen BMW 5er, Audi A6 und Mercedes E-Klasse und hatte einen Partikelfilter an Bord, als die deutsche Konkurrenz dieses System noch als Humbug abtat. Dennoch ist der Peugeot 607 nie über ein Mauerblümchen-Dasein hinausgekommen. Schnäppchenjäger freut das, sie können den Löwen-König jetzt günstig erstehen. Gepflegte HDi-Modelle aus erster Hand mit 133-PS-Vierzylindermotor gibt’s schon ab 11.500 Euro. Meist sind die Autos gut ausgestattet, haben Klimaautomatik, elektrisch verstellbare Sitze, Aluräder und CD-Wechsler.
Audi A8: Besser reisen im Chef-Auto
Als Gerhard Schröder gerade Kanzler war, fuhr er im Audi A8 eine alte Dame von der "Wetten, dass ...?"-Bühne. Jetzt ist Schröder im Ruhestand und der große Ingolstädter eines der Sorgenkinder auf den Gebrauchtwagen-Plätzen. A8 mit großen Motoren, noch dazu in einer Farbe, die nicht gerade Schwarz oder Silber ist – ganz schön schwierig! Dabei ist der Dreiliter-Sechszylinder-TDI ein sparsamer Typ, und der seit 2002 gebaute Typ 4E bietet exzellente Qualität. Das bestätigt auch der TÜV, gibt in den Disziplinen Licht und Bremsen absolute Traumnoten.
Fazit von AUTO BILD-Redakteur Andreas May
Der Verstand sagt Kleinwagen, das Herz sehnt sich nach sechs Zylindern und Ledersitzen. Eisern sparen oder genüsslich fahren? Spätestens beim Gebrauchtwagenhändler können Sie auf Ihr Herz hören. Zwar sind Polo, Golf und Co auch hier immer eine gute Wahl. Aber fürs gleiche Geld gibt es Autos, die als Neuwagen unerreichbar waren. Der Luxus-Franzose Vel Satis ist so einer. Er zählt gebraucht zur Gattung Standuhr, fristet ein tristes Dasein auf den Höfen der Händler. Und ist deshalb ein Tipp für Schnäppchenjäger, die hier für kleines Geld den großen Luxus bekommen.
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