Das Herz rast, der Blutdruck steigt, und in den Nasenflügeln spürt man ein feines Zittern. Man kann einem Auto wie dem Nissan GT-R nicht neutral begegnen. Erst recht nicht, wenn man zum ersten Mal vor dem frisch überarbeiteten Nismo steht. Denn alles an diesem Auto schreit förmlich nach Speed mit seinen glutroten Nüstern in der Frontschürze und den fiesen Kiemen auf der Haube. Nicht dass der GT-R ein dezenter oder gar eleganter Spursportwagen wäre. Das überlässt der Nissan gerne den Italienern oder Engländern und brüstet sich stattdessen mit dem Kampfnamen "Godzilla", den ihm seine Fans gegeben haben. Doch wo der normale GT-R bei einem halbwegs gesitteten Fahrer noch als Schmunzelmonster durchgeht, wird er im Nismo-Trimm zu einem ausgesprochen garstigen Gefährt, das man nur mit einer ziemlich gefestigten Verkehrsmoral halbwegs führerscheinerhaltend durch den öffentlichen Straßenverkehr bewegen kann.

Stärkster Nismo mit Straßenzulassung

Noch härter als bisher
Nach wie vor leistet der Biturbo-V6 im GT-R Nismo 600 PS.
Kern allen Übels ist ein 3,8 Liter großer V6-Motor, dem zwei Turbos schon im Grundmodell 570 PS abringen. Die Nismo-Truppe quetscht noch einmal 30 PS mehr aus dem Triebwerk und macht den GT-R mit dann 600 PS zum bislang stärksten Nissan, der je eine Straßenzulassung bekommen hat. Das maximale Drehmoment klettert von 637 auf 652 Nm, und weil zugleich das Gewicht durch den großzügigen Einsatz von Carbon in der deutlich versteiften Karosse um 27 Kilo sinkt, scharrt der Nismo schon im Stand mit den Hufen und lässt die Gummis beim Kickdown ordentlich qualmen. Wenn die auf 20-Zöller aufgezogenen 255er-Walzen vorn und die 285er hinten ordentlich zupacken und sich gut mit dem Asphalt verzahnen, dann schießt der GT-R unter ohrenbetäubendem Gebrüll in 2,8 Sekunden von 0 auf 100. Und wenn den Fahrer danach nicht der Mut verlässt oder die Gerade zu Ende geht, dann rast er weiter, bis die Nadel irgendwann bei 315 km/h ankommt.

Präzise Lenkung und solider Allradantrieb

Und so breit und sperrig der GT-R auch ist, muss man dabei nicht um die ideale Linie kämpfen oder mit der Physik ringen. Denn mit einer präzisen Lenkung, einem soliden Allrad und der rasend schnellen Doppelkupplung im Heck lässt sich das Monster gut im Zaum halten.
Noch härter als bisher
Moderner: Die Cockpitarchitektur entspricht der des GT-R Facelifts. Neu sind Lenkrad, Armaturenträger und Infotainment.
Und jetzt, wo die Zahl der Knöpfe durch den größeren Touchscreen von 27 auf elf reduziert wurde, hat man für diesen fordernden Job buchstäblich auch wieder die Hände und den Kopf frei. Es sind vor allem Moral und Gewissen, die mit dem GT-R Nismo einen permanenten Kampf ausfechten. Denn so gierig und giftig wie das Auto ist, braucht es nur ein, zwei nachlässige Augenblicke – und der Führerschein ist in allergrößter Not. Zu schnell ist man zu schnell, zu groß sind angesichts der Mühelosigkeit beim Überholen die Ungeduld und mit ihr die Versuchung, mal eben am Vordermann vorbeizuwischen, selbst wenn die Linien durchgezogen sind. Und weil je niemand weiß, wie bestialisch der Biss der Bremsen ist, fühlt sich der Rest der Welt womöglich schnell bedrängt und bedroht, wenn sich die fiese Fratze des Ferrari-Killers aus Japan formatfüllend im Rückspiegel breit macht. Abstand. Das ist ein Wort, das mit dem GT-R nur schwer in Einklang zu bringen ist. Genauso wenig wie Anstand übrigens.

Der Verlierer ist das Konto

Aber einen Verlierer gibt es bei diesem Spiel natürlich trotzdem. Das Konto. Das erleichtert Nissan für den garstigen Godzilla um gepflegte 184.950 Euro und erlaubt sich damit einen Nismo-Aufschlag von stolzen 85.000 Euro. Ist der reguläre GT-R noch das Schnäppchen unter den Supersportwagen, fährt der Nismo damit auf dem Niveau der Konkurrenz.

Von

Timo Gohler