Kein Oldie passt so gut in den Alltag wie ein robuster Kombi aus den 70ern und 80ern. Willkommen in der Welt, in der Oldtimer im Alltag gefahren werden, weil sie den nötigen Platz, Komfort und Zuverlässigkeit bieten. Und das müssen wir auch gleich ausprobieren: Klappe auf, heißt es für die vier Alltags-Kombis!
In diesen Lasten-Schleppern kann man sogar übernachten (besonders gut im Ford, der fast zwei Meter Ladefläche hat). Bei Volvo, Mercedes und Peugeot ist deutlich weniger Platz, dafür wirkt ihre Kofferraum-Einrichtung auch deutlich wohnlicher, mit Wollschling-Teppichen auch an den Seiten, verkleideten C-Säulen und sorgfältiger gearbeiteten Kedern und Kanten.
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Ford Granada 2.3 Turnier
Der Ford Granada mit V6 ist agil, sein Frachtraum bietet Platz
Bild: Christian Bittmann

Ford Granada Turnier 2.3: Platz ohne Ende

Richtig alltagstauglich ist der Granada nur mit Sechszylinder. Die kleineren Motoren sind mit dem schweren Kombi überfordert. Wichtig: Die Maschine läuft selbst dann noch, wenn es in ihrem Inneren schon übel aussieht. Wer auf Nummer sicher gehen will, misst deshalb die Kompression und lauscht nicht nur dem Laufverhalten. Das früher gern praktizierte "Zu-Ende-fahren-und-’ne-Maschine-vom-Schrott-Reinhängen" scheitert heute am mangelnden Nachschub.
Ein häufiges, aber gut lösbares Problem beim V6 sind verschlissene Stirnräder. Sie fallen durch mahlende Geräusche auf. Die K-Jetronic des 2,8i ist anfällig für Standschäden. Bei den Getrieben gelten die Viergang-Handschalter als extrem robust, während die Erfahrungen mit den besseren Fünfganggetrieben variieren. Auch die Dreistufenautomatik hält nicht ewig. Die Buchsen der Vorderachse verschleißen ebenso schnell wie die Bremsen, beides ist aber günstig zu ersetzen.

Wo der Rost zuschlägt

Wenn alles so robust ist, wo sind dann all die Granada hin? Die Antwort: weggerostet. Ohne Innenkotflügel gammelt der Vorderwagen an der Basis der A-Säulen. Schwellerspitzen, Stehbleche und die Längsträger unterhalb des Motors sind ebenfalls typische Problemzonen, und natürlich verdienen auch die "üblichen Verdächtigen" (Wagenheberaufnahmen, Radläufe und Türkanten) einen prüfenden Blick. Der Klassiker unter den Granada-Killern ist ein zerfressener Querträger über dem Differenzial, wo er kaum einsehbar ist. Das gilt für alle Baujahre von 1972 bis -85, die strukturell identisch sind.
Volvo 245 Kombi
Volvo baute das 200er-Modell fast 20 Jahre hindurch.
Bild: Christian Bittmann

Volvo 245: Der kleine Lastwagen

Hier sitzt man aufrecht – und das drückt auch beim Auto eine Haltung aus: Das Modell wurde fast 20 Jahre gebaut. Wenn Volvo je das Versprechen eingelöst hat, dass alle Bedienelemente auch von einem Fahrer mit Fäustlingen bedient werden können, dann hier mit diesen massiven Heizungsreglern, Kippschaltern und Spiegel-Verstellhebeln. Mit Veloursbezügen, solider Materialauswahl und hoher Gürtellinie kommt der Volvo sogar dem Mercedes nahe.
Auch unter der Haube wirkt alles solide, Volvos 200er-Reihe gilt als unzerstörbar. Das stimmt nicht ganz. Zuerst das Positive: Ein Gutteil des Rufs kommt von den "Red Block"- Motoren mit dem internen Namen B230F. Die Graugussblöcke sind für sehr hohe Laufleistungen gut, solange verschlampte Ölwechsel nicht zu verstopfter Nockenwellenschmierung führen. Der dazugehörige Zahnriemen muss alle 80.000 Kilometer oder sechs Jahre gewechselt werden. Bei Rissen droht allerdings kein Motorschaden: Die Triebwerke sind Freiläufer. Die ab 1976 verwendeten Getriebe M45 und M46 (mit Overdrive) halten ewig. Empfindlich ist dagegen das M47 mit fünftem Gang in einem Zusatzgehäuse. Es ist auch nach einer Überarbeitung 1986 mit der Leistung der stärkeren Varianten überfordert und blieb zu Recht immer für die Saugmotoren reserviert.
Jetzt zum Schlechten: Die Frontscheibe ist mit Butyl eingeklebt und kann im Sommer sichtbar abrutschen. Eindringendes Wasser lässt den Sicherungskasten korrodieren, und dann die Verbindung zwischen Innenschweller und Fahrzeugboden. Im Motorraum rosten die Oberkante der Schottwand und die Federdome. Das Schließblech der Heckklappe gammelt durch Scheuerstellen, sobald die Heckklappe rostet und die Dichtung verschiebt. Rost droht zudem innen am Übergang vom Kofferraumboden zum Radhaus – unbedingt hinter die Seitenverkleidung schauen! Schweller, Türkanten und Radläufe sowieso immer prüfen.
Peugeot 505 SX
Intakte Peugeot 505 sind nur noch in Frankreich zu finden.
Bild: Christian Bittmann

Peugeot 505 SX: Spritzig, aber selten

Der größte ist zugleich der agilste: Der Peugeot 505 SX ist der König der engen Kurven und lenkt präzise. Wer allerdings ein auffälliges Auto sucht, ist beim Peugeot 505 falsch. Der Franzose hat dafür andere Qualitäten, neben hohem Nutzwert vor allem ein geradezu modernes Fahrverhalten, das ihn nach wie vor zum zuverlässigen Alltagsbegleiter macht. Mit seiner Kombination aus stabilem Fahrwerk und robusten Saugmotoren verkraftet der Peugeot sogar bis heute den harten Einsatz auf den Schotterpisten Afrikas. Aber das fordert Kompromisse: Die im Vergleich zum Kombi modernere Hinterachse der Limousine gilt als verschleißfreudig. Bei den Turbomotoren aus Talbot-Entwicklung brannten früher reihenweise die Zylinderkopfdichtungen durch – nicht vollgasfest.
Der sogenannte Euro-V6 in den gehobenen Varianten nervt zudem mit hohem Verbrauch bei geringer Drehfreude und zäher Leistungsabgabe. Die durchdachte Karosserie mit ihren bis zu acht Sitzplätzen ist eine Stärke, war aber ab Werk schlecht gegen Rost geschützt. Das Blech gammelt daher frühzeitig an Radläufen, Türkanten und Schwellern. Auch die A-Säulen-Füße verdienen einen kritischen Blick. Ein K.-o.-Kriterium sind weggerostete Hinterachsaufnahmen.
Generelles Problem des 505 ist: Er hat keine Lobby. Rat und Tat sind schwer zu bekommen. Im Internet finden sich immer wieder Spuren enthusiastischer 505-Fans, die verzweifelt (und leider oft vergeblich) nach Gleichgesinnten suchen, die das Auto nicht nur vage von früher kennen, sondern heute noch fahren. Selbst die Aktivitäten des französischen 505-Clubs sind nach ambitioniertem Start vor vier Jahren wieder eingeschlafen.
Mercedes 200T
Der Mercedes ist sehr hochwertig, aber selten und teuer.
Bild: Christian Bittmann

Mercedes-Benz 200 T: Hochwertig & teuer

Der Mercedes wirkt am klassischsten. Die rundlicheren Formen, der Chromschmuck und die Oberklasse-Qualität sind starke Argumente für den Kauf. Bis 1980 war als vierzylindriger Benziner beim T-Modell nur der alte 230er namens M 115 erhältlich. Eine bessere Wahl, vor allem im Hinblick auf Kraftentfaltung und Wirtschaftlichkeit, sind die späteren M-102-Triebwerke mit Querstromkopf, angeboten als Vergaserversion 200 T mit zwei Litern und 109 PS (wie hier getestet) sowie als 136 PS starker 2,3-Liter-Einspritzer 230 TE. Der Vergaser-Sechszylinder des 250 T gilt als Säufer. Das 185 PS starke Topmodell 280 TE ist teuer. Diesel? Der legendären Unverwüstlichkeit (Ausnahme: 300 TD Turbodiesel) stehen bei den Mercedes-Selbstzündern Taxi-Sound und beschauliche Fahrleistungen gegenüber.
Noch wichtiger als der Motor ist beim T-Modell der Zustand der Karosserie. Die größte Schwachstelle der gesamten Baureihe ist der Übergang von der Frontschürze zum Kotflügel – unterhalb des Stoßfängers. Gammelt es hier, sind oft auch die Versteifungsbleche hinter den Stoßfängerecken angegriffen. Im Motorraum nistet der Rost häufig verborgen unter Batterie und Bremskraftverstärker. Wagenheberaufnahmen, Innenschweller und Radläufe gehören ebenfalls zu den typischen Korrosionsherden am 123er.
Ford Granada 2.3 Turnier
  Mercedes 200T
  Peugeot 505 SX
  Volvo 245 Kombi
Jeder Kombi-Klassiker setzt andere Schwerpunkte. Richtig billig ist leider keiner mehr.
Bild: Christian Bittmann

Gefährlich und teuer ist Rost an den Längsträgern hinten im Übergang zum Radhaus; fortgeschrittener Befall kommt einem Totalschaden gleich. Kombis rosten zudem schon früh am unteren Rahmen der Heckscheibe, an der Unterkante der Heckklappe sowie in den hinteren Ecken der Seitenscheiben. Typisches T-Leiden außerdem: Kabel und Scheibenwaschleitung brechen im Übergang vom Dach zur Klappe und müssen dann aufwendig auf ganzer Länge getauscht werden.

Bildergalerie

Ford Granada 2.3 Turnier
Ford Granada 2.3 Turnier
Ford Granada 2.3 Turnier
Kamera
Vier Kombi-Klassiker mit hohem Nutzwert

Fazit

von

Henning Hinze
Seit es den AUTO BILD KLASSIK­-Dauertest gibt, fahren wir dort All­tagshelden von früher. Noch nie waren wir aber so bodenständig unterwegs wie mit unserem sechs­ten Dauertest­-Auto, dem Ford Granada Turnier, einem der prak­tischsten großen Reisekombis der 70er­ und 80er­ Jahre. Im Vergleich mit seinen wich­tigsten Konkurrenten von damals punktet er nur mit Platz und sechs Zylindern. Zum robusten Volvo hält er noch Augenhöhe. Dem in sich ruhenden, harmonischen Mercedes und dem noch größeren, nicht perfekten, aber sehr aus­gewogenen Peugeot hat er aber wenig entgegenzusetzen. Egal. Das Faszinierende ist: Entspannter als mit den Kombis dieser Generation kann man nicht Auto fahren. Sie sind gut genug, um heute noch im Alltag zu be­stehen. Und dabei alt genug, um mit jeder Fahrt aufs neue Begeis­terung für alte Autos zu wecken.

Von

Henning Hinze