Kaum eine Woche vergeht, in der nicht neue Wunder-Akkus vorgestellt werden: Reichweiten von mehr als 1000 Kilometern und dazu blitzschnelle Ladezeiten von zehn Minuten oder noch weniger sind im Gespräch. Was ist dran?
Diese Reichweiten orientieren sich auffällig an denen eines Diesel-Pkw. Oft wird bei den neuen und revolutionären Batterien eine sehr schnelle Umsetzung versprochen, bis die meisten dann wieder von der Bildfläche verschwinden. Erinnert sich noch jemand an NanoFlowCell? Oder an die Kolibri-Batterie? Beide wohl gescheitert. Noch ist vom entscheidenden Durchbruch nichts zu sehen.

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Li-Ionen-Akku schon 30 Jahre alt

Das zeigt vor allem, dass Entwicklungen in der Elektrochemie ihre Zeit brauchen. Der Weg von einer Idee über eine Kleinserie bis hin zur Serienreife in Automobilen ist langwierig. Auch der Lithium-Ionen-Akku wurde lange weiterentwickelt, bis er marktreif und millionenfach einsetzbar war. Sony startet einst die erste kommerzielle Anwendung in einer Videokamera. Das war vor gut 30 Jahren!
Mercedes EQA Akku
In der Li-Ionen-Technologie schlummert nach Ansicht von Experten viel Potenzial. Hier der Akku vom Mercedes EQA.
Bild: Daimler AG
Darüber hinaus sind die Anforderungen an Akkus in einem Pkw deutlich höher als bei Batterien der Unterhaltungselektronik. Aber bei beiden geht es um Lebensdauer, Sicherheit, Leistungsfähigkeit – und natürlich auch um Kosten. Wenn ein Bauteil mehrere Hunderttausend Mal produziert wird, potenzieren sich Centbeträge.

BMW-Akkus bringen 30 Prozent mehr Reichweite

BMW orakelte schon im Sommer 2022 von einem neuen Wunderakku. Nun scheint der bayerische Hersteller kurz davor zu sein, bei E-Auto-Batterien einen großen Entwicklungsschritt hin zu mehr Kapazität und weniger Ladedauer zu machen. "Die Energiedichte wird um mehr als 20 Prozent erhöht, die Ladegeschwindigkeit um bis zu 30 Prozent gesteigert und die Reichweite um bis zu 30 Prozent verbessert", sagte Entwicklungsvorstand Frank Weber kürzlich. Überdies sinke der CO-Ausstoß bei der Zellproduktion um bis zu 60 Prozent, fügte der BMW-Manager hinzu.
BMW i3
Die "Neue Klasse", die ab 2025 kommt (hier die China-Version) will BMW mit neuen Batterien ausstatten. Sie sollen 30 Prozent mehr Reichweite bringen.
Bild: facebook/CarSpyShots
Zum ersten Mal will BMW für die Batterien seiner Neuen Klasse runde Zellen verwenden statt der bisherigen Prisma-Zellen. Sie wurden von BMW selbst entwickelt und enthalten weniger Kobalt und mehr Nickel sowie Silizium als die bisher verwendeten Zellen. Zugleich spart BMW Bauteile: Die Batteriepacks werden direkt in den Unterboden der Karosserie eingebaut. 
BMW baut die neuen Zellen nicht selbst. Sie werden von Partnern gefertigt, die dafür sechs Fabriken mit einer jährlichen Kapazität von jeweils bis zu 20 Gigawattstunden (GWh) errichten: je zwei in Europa, in China und in Nordamerika.

Alu-Schwefel-Akku kommt ganz ohne Lithium aus

Ganz frisch auf dem Markt von morgen: der Aluminium-Schwefel-Akku. Sein Vorteil ist insbesondere die Wirtschaftlichkeit, denn er kommt ohne teures Lithium aus – stattdessen werden Elektroden aus Schwefel und Aluminium verwendet, als Separator dazwischen dient flüssiges Chloraluminat-Salz. Das hat nebenbei den Vorteil, dass die Batterie im Falle einer Überhitzung nicht in Brand geraten kann.
Die Institution, die dem Forschungsprojekt den Rahmen gibt, flößt Vertrauen ein: Am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat der emeritierte Professor für Materialforschung Donald Sadoway mit einem 15-köpfigen Team aus den USA, Kanada und China die erste Batterie dieser Art entwickelt, die bereits mehrere Hundert Ladezyklen überlebt. Moderne Li-Ionen-Akkus schaffen aber mehrere Tausend Zyklen.
Auch die Ladedauer ist laut dem Professor beeindruckend kurz: Sadoway spricht von einer (!) Minute, allerdings ohne die Größe des Energiespeichers zu nennen. In seinem privaten Unternehmen Avanti soll die Erfindung zur Marktreife gebracht werden. Es bleibt weiter spannend.
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Zinkbatterie nutzt Chitin als nachhaltiges Elektrolyt

Millionen von Elektroauto-Akkus werden in den nächsten Jahren gebaut; ihre Herstellung, Nutzung und Entsorgung auf bisherigem Weg würde die Umwelt belasten. Einen Schritt hin zu nachhaltigen Akkus weist eine wissenschaftliche Studie, die jetzt an der US-Universität Maryland veröffentlicht wurde. Sie schlägt vor, als Elektrolyt zukünftig Chitin anstelle von Kunststoffen zu verwenden. Das Elektrolyt innerhalb der Batterie ermöglicht den Ionenfluss zwischen Anode und Kathode.
Chitin ist bekannt als Bestandteil der Schale von Insekten und Krustentieren. Es steht also als nachwachsender Rohstoff aus Fischabfällen in großen Mengen zur Verfügung und ist biologisch abbaubar. Es wird bereits in Medikamenten, Düngemitteln und zum Beispiel auch als essbare Schutzfolie auf Lebensmitteln verwendet.
Das tierische Elektrolyt ist Teil einer Batterie-Skizze der Wissenschaftler, die ein Konzept zeigt, das auf Nachhaltigkeit getrimmt ist. Dazu gehören Elektroden aus Zink. Das Metall hat ähnliche Eigenschaften wie Lithium, ist aber wesentlich verbreiteter und daher billiger.

SALD-Akku soll 1,6 Millionen km halten

Eines der heißesten Eisen im Reichweiten-Feuer ist der Zwei-Millionen-Meilen-Akku des Tesla-Forschers Jeff Dahn, die SALD-Batterien, die Natrium-Ionen-Akkus und natürlich die Feststoffbatterien. Diese Entwicklungen ordnet Maximilian Fichtner, Professor für Feststoffchemie, so ein: "Aus meiner Sicht sind das keine 'Wunder-Akkus', sondern technische Entwicklungen, die hier und da einen technischen Fortschritt versprechen".
Professor Maximilian Fichtner
Professor Maximilian Fichtner ist Experte für Feststoffchemie am Helmholtz-Institut Ulm.
Bild: Fritz Beck
Wenn man diese Maßstäbe anlegt, dünnt sich das Feld der vielversprechenden Wunderakkus schnell aus. Unlängst hat der Tesla-Batterieforscher Jeff Dahn bei einer Online-Konferenz des Batteriesoftware-Analyse-Unternehmens Twaice einen Zwischenbericht seiner Arbeit gegeben. Ziel sei es weiterhin, eine Batterie zu entwerfen, die 1,6 Millionen Kilometer durchhält, ohne nennenswert an Leistungsfähigkeit zu verlieren.
Der US-Forscher hatte bereits im Oktober 2020 eine neue Zelle vorgestellt, die rund 10.000 Ladezyklen verkraftet. Bei einem E-Auto mit einer Reichweite von 350 Kilometer entspräche diese Lebensdauer einer Fahrleistung von mehr als drei Millionen Kilometern. Aktuelle Elektroautos schaffen 2500 Ladezyklen, danach ist die Kapazität auf rund 70 bis 80 Prozent geschrumpft.

Wie vielversprechend sind die ersten Ergebnisse?

Ein weiterer Vorteil dieser Marathon-Akkus ist, dass sie problemlos als Energiespeicher verwendet werden können und bei intelligenter Vernetzung also zugleich Lade- und Energieprobleme lösen können. Maximilian Fichtner bringt hier Licht ins Dunkel. "Jeff Dahns bisherige Entwicklungen gingen in die Richtung, die Pulverpartikel des Speichermaterials als perfekte Kristallpartikel herzustellen, welche weniger durch den Elektrolyten angegriffen werden können. Dadurch halten sie bedeutend länger. Zusätzlich ist er dabei, durch gezielte kleine Veränderungen in der Materialzusammensetzung diese weiter zu stabilisieren. Das halte ich für durchaus machbar und die bisherigen Materialien von Tesla zeigen ja auch, dass das prinzipiell geht."
Das SALD (Spatial Atom Layer Deposition) ist ein Konzept, dass die Batterien auf ein neues Niveau heben soll. Allerdings handelt es sich  nicht um eine revolutionäre Art der Batterie, sondern um eine Verbesserung der Komponenten. Also geht es hier um eine Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Akkus, bei der die Zellen mit einer ultradünnen Atombeschichtung ummantelt werden, die die den Ionen-Fluss zwischen Anode sowie Kathode deutlich erleichtert und damit die Sicherheit und Langlebigkeit verbessert. Auch die oft zitierten 1000 Kilometer sollen so möglich sein, zudem ein deutlich schnelleres Laden.
Maximilian Fichtner ist jedoch skeptisch: "Ich halte das für eine technische Lösung, die möglicherweise sinnvoll für Kleinstbatterien ist, da es dort nicht so sehr auf die Kosten ankommt. Im Automobilbereich kann ich mir solche Batterien nicht vorstellen."
Anlage Zellmodulfertigung von BMW in Leipzig
Innovationen in der Elektrochemie dauern ihre Zeit, daher ist der "Wunderakku" nicht in ein paar Tagen zu erwarten.
Bild: Christoph Busse

Feststoff-Akku: Keramik gegen Dendriten

Mit schnelleren Ladezeiten, einer höheren Energiedichte und mehr Leistung bietet die Feststoffzellenbatterie ähnliche Vorteile wie das SALD-Verfahren. Dass diese Akkus kommen werden, gilt als gesetzt. Dadurch, dass die Ladung nicht mehr durch ein flüssiges, sondern ein festes Elektrolyt transportiert wird und der Minuspol, der bisher aus Grafit besteht, durch reines, metallisches Lithium zu ersetzen, könnten die Batterien leichter werden und laut Maximilian Fichtner etwa 30 bis 40 Prozent mehr Reichweite bringen. So weit, so gut.
Allerdings bilden sich bei den bisherigen Lithium-Ionen-Batterien beim Be- und Entladen nach und nach kleine Metallnadeln auf dem Lithium. Sie werden Dendrite genannt und können im schlimmsten Fall zu einem Kurzschluss der Batterie führen. Um das zu verhindern, ersetzt man bei der Festkörperbatterie das flüssige Elektrolyt zwischen den Elektroden durch eine dünne Keramikschicht. Die ist nicht brennbar, leitet aber die Lithium-Ionen und bildet zudem eine mechanische Barriere gegen die erwähnten Metallnadeln.
"Die Schwierigkeit ist, das so zu fertigen, dass die Anordnung über lange Zeit stabil ist und die vielen kleinen Kontaktflächen der verschiedenen Festkörper beim Be- und Entladen nicht abreißen", umreißt Maximilian Fichtner die Problemstellung.

Was kündigt Nio für 2024 an?

BMW, Mercedes und VW investieren Milliardenbeträge in diese neue Technologie. Auch der chinesische Autobauer Nio hat für seine Elektrolimousine ET7, die dieses Jahr auf den Markt kommen soll, eine Feststoffbatterie und große Reichweiten angekündigt. Allerdings soll diese Batterie erst 2024 verfügbar sein. Bei anderen Herstellern werden die Feststoffzellen schon gar nicht von heute auf morgen in die Serienmodelle kommen.
Mercedes tüftelt schon länger an diesen Zellen, hat aber erkannt, dass es nicht so schnell vorangeht wie ursprünglich gedacht. Vor allem bei der Energiedichte und der Ladegeschwindigkeit ist noch ein bisschen was zu tun. BMW teilt offenbar diese Einschätzung – und will erst Ende des Jahrzehnts den ersten Serien-Pkw mit Feststoffzellenbatterien auf den Markt bringen.

Was zeichnet Natrium-Ionen-Akkus aus?

Zunächst kommen die Feststoffzellen Akkus in Bussen zum Einsatz. Der chinesische Batteriezellenproduzent CATL (Contemporary Amperex Technology) hat im vergangenen Jahr eine Natrium-Ionen-Batterie für das Jahr 2023 angekündigt. Der Akkus kommt ohne Lithium, Nickel und Kobalt aus. Damit ist er um einiges nachhaltiger als Li-Ionen-Akkus. Außerdem soll er schneller aufladbar sein und weniger unter Minusgraden leiden.
Natrium-Ionen-Akku von CATL
Der Natrium-Ionen-Akku soll 2023 marktfähig sein. Er kommt ohne Lithium, Nickel und Kobalt aus.
Bild: CATL
Maximilian Fichtner sind diese Batterien eine der "aufregendsten Neuentwicklungen zurzeit. Man hat hier die Perspektive, recht leistungsfähige Batterien auf einer nachhaltigen Materialbasis zu bauen. Ich denke, das System wird eine große Zukunft haben und es kann eine große Entlastung bringen für die angespannte Rohstoffsituation im Lithium-Markt. Vor ein paar Jahren wurde das noch als Spielerei und exotisch abgetan. Mittlerweile sind die Zellen marktreif."

Fazit: Der Durchbruch lässt noch auf sich warten

Auf der Minus-Seite steht noch die vergleichsweise geringe Energiedichte, allerdings bewegt sich auf diesem Gebiet bereits etwas. Laut chinesischen Medien hat CATL Anfang dieses Jahres ein Patent eingereicht, dass die Energiedichte der Natrium-Ionen-Batterie um 25 Prozent auf jetzt 200 Wh/kg erhöht. Zum Vergleich: Bei den Top-Zellen des VW-Konzerns sind es aktuell knapp 300 Wh/kg.
Es wird also noch etwas Zeit ins Land gehen, bevor das eine oder andere Akku-Wunder Realität wird.

Von

Roland Wildberg
Wolfgang Gomoll